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Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Titel: Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)
Autoren: Ildikó von Kürthy
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«Kinder sind Geiseln in den Händen der Welt.
    Die Schmerzen der Kinder sind die schlimmsten, die Eltern
    erleiden. Kinder sind in jeder Hinsicht eine Verstärkung der
    Realität. Alles, was wirklich ist, ist durch Kinder noch wirklicher,
    ob das Schmerz ist oder Freude.»
    MARTIN WALSER
    19. August
    Schwangerschaftswoche: 4 + 2 Tage 
    Gewicht: Morgens unbekleidet und ohne Kontaktlinsen 64 Kilogramm. Bei 173 Zentimeter Größe und einem Körper, der noch nie zur Gattung der fettfreien Elfen gehörte, ein vortreffliches Ergebnis – das ich mir jedoch hart erarbeitet habe durch grausamen Verzicht, der meinem maßlosen Gemüt eigentlich nicht entspricht. 64 Kilogramm – diese beeindruckende Zahl dürfte schon bald der Vergangenheit angehören. 
    Zustand: Bin in Aufbruchsstimmung, gleichzeitig ungläubig und viel zu ängstlich, um richtig glücklich zu sein. 
     
    I ch hatte gar nicht mehr mit dir gerechnet. Dabei warst du längst unterwegs.
    Nun gut, es gab ein paar Hinweise auf deine Existenz, denen ich jedoch nicht weiter nachgegangen bin. Die Tatsache, dass ich das Nutellaglas beim letzten Wochenendeinkauf in der Special Edition «Family & Co – jetzt mit 300 Gramm mehr!» gekauft habe, hatte mich nicht sonderlich stutzig gemacht. Ich bin seit jeher, auch ohne Familie, eine Anhängerin von großen Portionen und Übergrößen im nahrungstechnischen Bereich gewesen. Dass der Schokoladenaufstrich jedoch bereits drei Stunden später komplett verspeist gewesen war, und zwar direkt vom Glas in den Magen, ohne den Umweg über eine Scheibe Brot zu machen, hätte selbst mich, als bekennenden Vielfraß, misstrauisch machen können.
    Ich wusste jedoch erst mit Sicherheit, dass etwas mit mir nicht stimmte, als ich gestern Abend nach dem zweiten Glas Wein keine Lust mehr auf Alkohol hatte. Das hatte es noch nie gegeben.
    «Ich glaube, ich werde krank», sagte ich besorgt zu dem Mann neben mir auf dem Sofa, der keine Ahnung hatte, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits Vater eines sich eifrig teilenden Zellhaufens war.
    «Wahrscheinlich irgend so ein blöder Magen-Darm-Virus», fügte ich noch übellaunig hinzu. Krank zu werden passte mir gerade gar nicht, denn ich hatte am nächsten Morgen einen Termin bei meinem bildschönen, wohlgestalteten Personal Trainer Marco, mit dessen Hilfe ich seit drei Monaten gegen die meinen 38 Jahre alten Körper zunehmend belästigende Schwerkraft antrainiere.
    Ich habe nämlich seit vielen Jahren leidvolle Erfahrungen mit dem Thema «Schwangerschaft».
    Ich wäre gern schwanger – sehe aber leider bloß so aus. Keine ganz glückliche Konstellation.
    Aufgrund einer etwas ungünstigen Veranlagung, die meine Körpermitte betrifft, fragen mich seit meinem 30. Lebensjahr gerne mal weibliche Teile meines Bekanntenkreises mit mildem Lächeln und tiefer gelegter Stimme: «Hast du ein süßes Geheimnis?»
    Ich reagiere darauf gallig – besteht mein süßes Geheimnis doch in der Regel aus einer Pizza mit doppelt Käse am Vorabend in Kombination mit der bereits erwähnten genetischen Prädisposition.
     
    Am ersten Tag dieses Jahres machte ich eine Liste mit folgenden Beschlüssen:
1.) Finde dich damit ab, dass du in deinem biblischen Alter nach etlichen Jahren redlichen Bemühens höchstwahrscheinlich keine Kinder mehr bekommen wirst. Nicht trauern. Leben.
2.) Finde dich nicht damit ab, dass Verkäuferinnen dir ungebeten weitfallende Tuniken in die Umkleidekabine reichen und sagen: «Da kann das Bäuchlein noch reinwachsen.»
3.) Schluss mit dem Bauch! Schluss mit dem Kinderwunsch!
3. a) … und wo ich schon mal dabei bin: weniger Weißmehl, weniger Zucker. Morgens Ingwerwasser auf nüchternen Magen. Nicht von Ehemann zu unproduktiven Streitigkeiten provozieren lassen. Nie wieder Nutella kaufen mit der Ausrede: «Ist ja nur für sonntags aufs Brot.» Sex nur noch bei akuter Lust, nicht mehr wegen akuten Eisprungs. Jeden Abend Zahnzwischenraumbürstchen benutzen (auch wenn ich betrunken bin).
4.) Neuer Mann? Neuer Chef? Neue Wohnung? Es MUSS sich was ändern! Motto: MEHR MUT!!! (Und weniger Kohlehydrate.)
     
    Und, was soll ich sagen?
    Ich habe keine vier Monate gebraucht, um mein Leben auf den Kopf zu stellen. Den Mann habe ich zwar behalten – jedoch plane ich an ihm einige aufwendige Renovierungsmaßnahmen charakterlicher Natur. Aber ich habe keinen Chef mehr, eine Zweitwohnung in Berlin und einen Bauch, den man im weitesten Sinne als flach bezeichnen könnte.
    Ich habe gekündigt, denn
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