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Georg Büchner, "Woyzeck" - Textausgabe + Lektüreschlüssel

Georg Büchner, "Woyzeck" - Textausgabe + Lektüreschlüssel

Titel: Georg Büchner, "Woyzeck" - Textausgabe + Lektüreschlüssel
Autoren: Reclam
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Gerichtsmediziner Hofrat Professor Johann Christian August Clarus mit einem psychologischen Gutachten. Dieses bescheinigte dem Angeklagten die volle Zurechnungsfähigkeit. Daraufhin wurde Woyzeck zum Tod durch das Schwert verurteilt. Die Verteidigung erwirkte einen Aufschub und später eine Neuaufnahme des Verfahrens, die aber wiederum zur Verurteilung Woyzecks führte. Ende August 1824 wurde Woyzeck auf dem Leipziger Marktplatz vor 5000 Schaulustigen öffentlich hingerichtet.
    Clarus veröffentlichte seine beiden Gutachten. Das ausführliche zweite Gutachten, das Georg Büchner für sein Drama benutzte, wurde 1825 auch in der
Zeitschrift für die Staatsarzneikunde
abgedruckt. Dort hatte Georg Büchners Vater Ernst Büchner – seit 1824 Mitglied des Medizinalrates, der obersten Gesundheitsbehörde des Großherzogtums Hessen-Darmstadt – im gleichen Jahr ein psychologisches Gutachten über den »Gemüthszustand eines Soldaten im Augenblick seines Vergehens im Dienste durch thätliches Vergreifen am Vorgesetzten« veröffentlicht. (Dieser Soldat wurde übrigens aufgrund des Gutachtens freigesprochen, der Unteroffizier hingegen, der ihn provoziert hatte, zu scharfem Arrest verurteilt.) Auch hatte Büchners Vater als junger Sanitätsgehilfe zwischen Herbst 1806 und Frühjahr 1807 im selben holländischen Regiment gedient wie der Infanteriesoldat Woyzeck. Dass Georg Büchner schon während seiner Kindheit von dem aufsehenerregenden Mordfall gehört hatte, ist demnach wahrscheinlich.
    Zu seinem Drama scheinen Georg Büchner aber auch zwei weitere Mordfälle angeregt zu haben. 1817 hatte der Tabakspinnergeselle Daniel Schmolling in Berlin seine Geliebte mit einem Messer umgebracht. Die Umstände der Tat ähneln denen im
Woyzeck
-Drama. Und 1830 erstach in Darmstadt der Leinenweber Johann Dieß seine Geliebte. Er starb 1834 im Zuchthaus, woraufhin seine Leiche zur Sektion an die Anatomie der Universität Gießen überstellt wurde. Zu dieser Zeit setzte Georg Büchner sein in Straßburg begonnenes Medizinstudium an der Landesuniversität Gießen fort und belegte unter anderem Vorlesungen über »Gerichtsmedizin« und »anatomische Übungen«. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Büchner der Obduktion des Mörders Dieß beiwohnte oder jedenfalls von ihr erfuhr.
    Die drei Mordfälle weisen auffällige Entsprechungen auf: Die Täter entstammten armen Verhältnissen, waren wenig gebildet, hatten handwerkliche Berufe gelernt, als Soldaten gedient, eine unstete, beruflich erfolglose und sozial deklassierte Existenz gefristet, unterhielten Verhältnisse zu Frauen, mit denen sie ein Kind hatten (oder, im Falle Schmollings, erwarteten), die sie aber aufgrund ihrer sozialen Stellung nicht heiraten konnten und die ihnen untreu waren. Sie töteten vorsätzlich und offenbar ohne Hoffnungen mehr für ihr eigenes Leben. Sie ließen sich ohne weiteres überführen. In allen drei Prozessen spielte die Frage der Zurechnungsfähigkeit eine entscheidende Rolle. Alle drei Fälle erlangten hohe öffentliche Aufmerksamkeit. Sie wurden miteinander verglichen. Alle drei Täter wurden für zurechnungsfähig und mithin für voll schuldfähig befunden.
    »Man versuche es einmal und senke sich in das Leben des Geringsten und gebe es wieder, in den Zuckungen, den Andeutungen, dem ganzen feinen, kaum bemerkten Mienenspiel.« Diese Worte legt Georg Büchner in seiner
Lenz-
Novelle der Hauptfigur, dem gemütskranken Dichter und Dramatiker Jakob Michael Reinhold Lenz, in den Mund. Im
Woyzeck
hat er diesen Versuch selbst unternommen.

2. Inhalt
    Szene 1. Auf einem Feld vor der Stadt schneiden die einfachen Soldaten Franz Woyzeck und Andres, dessen Nachname nicht genannt wird, Stöcke. Ob das zu ihren Dienstpflichten gehört, bleibt offen; ebenso, zu welchem Zweck die Stöcke gebraucht werden. Möglicherweise sollen sie bei Prügelstrafen eingesetzt werden. Woyzeck hat furchterregende Halluzinationen. Der Streif, den er im Gras wahrnimmt, deutet darauf hin, dass er glaubt, sich auf einer Richtstätte zu befinden: Dem Volksglauben zufolge sind an solchen Orten dem Boden unauslöschliche Merkmale eingeprägt. Seiner Befürchtung nach muss man damit rechnen, hier auf Köpfe von Enthaupteten zu stoßen, was den Finder nach kurzer Zeit das eigene Leben kosten könne. All diese undurchschaubaren Gefahren führt er auf das geheime Wirken der Freimaurer zurück, die nach dem Glauben der einfachen Leute ihre dunklen Machenschaften in unterirdischen
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