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Traeumer und Suender

Traeumer und Suender

Titel: Traeumer und Suender
Autoren: Matthias Goeritz
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taten, sie hatten schon darüber gesprochen, in ein paar Monaten war es wirklich vorbei. Er würde sowieso viel unterwegs sein. Die Frage war nur noch, was dann kam. Melanie hatte ihn nicht zur Beerdigung begleitet; er hatte es ihr nicht einmal sagen müssen; es war jetzt anders zwischen ihnen, sie achtete jetzt mehr auf ihn. Das war es. Er war jetzt ein anderer. Einer, auf den man achtete.
    Â«Das ist selten im Sommer. Aber wenn es in Italien regnet, dann richtig. Fahren dürfen Sie bei so einem Wetter aufkeinen Fall, die Straßen hier sind für Unwetter nicht gemacht, andauernd rutscht der Untergrund weg. Schlammlawinen, das ist eine tödliche Falle. In Japan fällt der Regen schnurgerade vom Himmel hinunter. So, als wollte jemand beide zusammennähen. Himmel und Erde. Ich habe Japan immer gemocht, auch wenn ich nur ein paarmal da war. Ein Land, das zu 90 Prozent aus extrem steilen Hügeln besteht. Wo bei uns jeder sagen würde, komm, lass uns da hochgehen, da sagt einem ein Japaner: Nein, da gibt es Schlangen, Affen und giftige Insekten. 5 Prozent des Landes sind für die Landwirtschaft reserviert, der Rest ist urban, die meisten sollen keine schönen Städte sein, bis auf Kyoto. Alles auswuchernde Industriezone mit Schlafplätzen. Aber der Regen ist schön, so schön gerade. Deshalb konnten die ihre Häuser ja auch aus Reispapier bauen mit den Shoji-Wänden, die öffnen sich in den Garten, da sieht man den Regen dann ins Gras tropfen, so schnell wie eine alte Filmkamera. Wie ein Faden. Und an dem Faden seilt sich die Feuchtigkeit ab, eine ganze Armee von Tropfen, nur dazu da, den Boden ganz feucht zu machen, dass man danach mit den Holzsandalen im Moos versinkt. Wo waren wir? Ach ja, beim Regen. Diese Stille danach, diese Pflanzenstille. Nein, bei dem Wetter dürfen Sie heute Abend keinesfalls fahren. Bleiben Sie. Wir haben ein Gästezimmer für Sie. Mir geht es viel besser seit unserer letzten Begegnung, wir können nachher noch weitermachen, und Ralph kocht gern für einen solchen Gast, er mag Sie. Sie sind ein junger, unverdorbener Gaumen. Das wird ihn anspornen, ich werde ihm sagen, dass er das Zimmer bereiten soll.
    Ich hätte nicht gedacht, dass ich das jemals sagen würde. Klingt wie ein Snob, nicht? Das Gästezimmer bereiten. Jaja, lachen Sie nur. Ich freue mich wie ein Kind. Finden Sie mich kindisch?»
    Er wusste auch nicht, warum er sich gerade in dieser Nacht die Aufnahme wieder anhörte. Die Produktion von
Gleiwitz
war gut gelaufen. Er hatte die ganze Zeit darauf gewartet, dass etwas Schlimmes passieren würde, aber es lief nicht nur problemlos, es lief perfekt. Nun ja, es war kein Kinofilm mehr geworden. Aber nachdem der alte Mann zusammengebrochen war, hätte wohl auch kein anderer mehr alles zusammenhalten können; er hatte sich das gesagt, und die Leute in der Firma hatten es ihm bestätigt, die Kidman und Scott hatten sich noch vor der Beerdigung neuen Projekten zugewendet, sie hatten die Schutzklauseln gezogen – Ridley immerhin mit Bedauern –, die Versicherung war eingesprungen, er hatte bei der Filmförderung einen Eilantrag eingereicht, zum Glück waren die Polen an Bord geblieben, samt Marek als Hauptdarsteller. Sie hatten die Produktion von Kattowitz nach Łódz verlegt, das Ganze hatte gedauert; und er hatte gemeinsam mit Klata, dem jungen Regisseur, der bisher vor allem ein paar Independentfilme gedreht hatte, aus dem Skript einen Vierteiler herausgeschält, nicht so bombastisch, aber machbar; sie hatten viel Arbeit in den Schnitt gesteckt. Der erste Teil war bei den Öffentlich-rechtlichen gerade angelaufen und zeitgleich bei TV Polonia, und das mit Erfolg.
    Er hatte auch Kassensturz gemacht; die Firma des alten Mannes war so gut wie pleite. Es hatte alles in
Gleiwitz
gesteckt. Allzu viele Erfolge, zumindest finanzielle, hatte der Produzent in den letzten Jahren nicht vorzuweisen gehabt.
    Â«Ob ich ein kindliches Gemüt habe? Fragen Sie George Lucas. Der hat so ziemlich die übelste Art von Kindergemüt, das ich kenne. Und fade ist der, wie alter Spargel. Aber das erzähle ich Ihnen nachher. Würden Sie Ralph für mich rufen? Er zeigt Ihnen das Zimmer, und ich könnte jetzt Hilfe gebrauchen. Ich muss mich doch ein wenig ausruhen.Jetzt, wo sie bleiben. Wir sehen uns dann bei Tisch, duschen Sie, nehmen Sie ein Bad, das Haus steht ganz zu Ihrer Verfügung. Ich stehe zu Ihrer
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