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Traeumer und Suender

Traeumer und Suender

Titel: Traeumer und Suender
Autoren: Matthias Goeritz
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Verfügung. Bis nachher.»
    Ja, er war damals zum Essen geblieben, weil es so stark regnete. Auch weil er gespürt hatte, dass sich etwas veränderte. Er hatte längst nicht mehr so viel Angst gehabt vor dem alten Mann, vor dessen Leben, das zwar so großartig klang, weil es mit dem zu tun hatte, wovon er immer geträumt hatte, dem Film, aber sich doch als genauso wirr, wild und wahnsinnig zufällig herausgestellt hatte, wie letztlich sein Leben auch. Oder?
    Dafür kam der Respekt. Und die Freundschaft, wenn man es so nennen wollte. Das Geschäft. Auch Freundschaft war ein Geschäft. Er hörte ihm zu; jetzt, an diesem Abend konnte er sagen: Und der alte Mann hatte ihm etwas mitgegeben. Nicht zuletzt seine Firma.
    Der Kassensturz war deprimierend gewesen, er hatte viele Leute entlassen müssen, fast die Hälfte der Belegschaft, Melanie hatte ihm geholfen, durch die, wie sie es nannte, «kreative» Buchführung und die verschiedenen Holdingkonstruktionen durchzusteigen. Er hatte einen gerade noch zu verschmerzenden Vertrag mit einer Unternehmensberatung geschlossen und war das Adressbuch des alten Mannes durchgegangen, gemeinsam mit Ralph. Dann hatte er sie durchtelefoniert, einige Leute kannten ihn von der Beerdigung, oder weil der alte Mann im letzten Jahr von ihm erzählt hatte. Einige hatte er mit Ralph gemeinsam besucht, war lieber direkt vorstellig geworden. Man war ihm mit höflicher Belustigung entgegengetreten, so als wäre er eine Marotte des alten Mannes gewesen, als müsse er sich erst mal beweisen. Was er ja auch musste. Was er auch getan hatte; zumindest auf kleiner Ebene.
Gleiwitz
war gelaufen. Klein und fein. Er hatte es genau über diese Leute,die erst so skeptisch waren, an Festivals weiterverkauft, nicht Marek als den neuen Heath Ledger promotet, sondern den Film als neues
Das Boot
angekündigt. Klata und er würden in den nächsten Wochen an einer Kinofassung basteln, für den internationalen Markt.
    Jetzt kamen schon neue Aufträge, Anfragen von Fernsehanstalten, es gab ein vorsichtiges Sondieren anderer Firmen, was Koproduktionen betraf. Ein gutes Zeichen, meinte Ralph, wären die vielen Skripte von Profis, die wieder regelmäßig mit der Post eintrudelten. Eins hatte er vor sich liegen. Eins, das ihn wirklich interessierte.
Der Golem
. Ein durch Alchemie belebter Mann aus Lehm. Rabbi Löw aus Prag, der der Materie Geist einhaucht. Die archaische Macht des Worts. Ein jüdischer Superheld. Gut, der Roman von Meyrink, der dem Skript zugrunde lag, war etwas schwierig, zu esoterisch für seinen Geschmack, ein richtiges Zeichenlabyrinth. Aber was für ein Mythos für unsere Sehnsucht nach dem künstlichen Menschen, alles Faustische, alles Prometheische steckte in diesem Stoff. In einem jüdischen Stoff! Einer Legende, die nicht nur unseren modernen Griff nach der Schöpfung hinterfragte, unseren Abfall vom Glauben, sondern vielleicht auf die schönste Art und Weise auch eine Metapher für das Monströse im Kunstschaffen selbst war. Und einer der Klassiker des Horrorkinos der Stummfilmzeit basierte obendrein darauf.
Der Golem
. Paul Wegener hatte den Stoff dreimal verfilmt, dreimal! Und dann? Hatte man ihn vergessen, schlichtweg liegen gelassen! Während all die Horrorfilme der Zwanziger und Dreißiger wieder und wieder neu verfilmt wurden, die Nosferatus, Draculas, die Frankensteins, Werwölfe, Hexen, Kunstmenschen, Vampire, Zombies und Somnambulen, ja, sogar die Mumien durch die Kinos taumelten. Und dabei hatte sich Boris Karloff, diese Ikone des Monsterdarstellers, sogar seinenGang bei Wegeners Golem abgeguckt! Und so was war übersehen worden!
    Ja, den
Golem
würde er machen. Eine Goldgrube, ein völlig neuer, gigantischer Horrorstreifen mit philosophischem Hintergrund! Und das alles in Prag. Er konnte es vor sich sehen: die Kulisse der goldenen Stadt. Die Barrandov-Studios – die waren groß genug, die hatten schließlich auch
Van Helsing
dort gedreht, und er würde nicht nur CGI einsetzen, nein, er würde die Tradition anzapfen, die Puppenspieler von Prag. Eine neue Künstlichkeit, eine neue Poesie, die ans Alte anknüpfen würde, das klang ja geradezu nach Tim Burton, er würde ihn sofort anrufen müssen. Vielleicht produzierte der sogar mit? Monster kamen immer an. Und er, er hatte eins gefunden, das noch nicht verbraucht war. Er hörte nur noch mit halbem Ohr hin, als der alte
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