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Das siebte Tor

Titel: Das siebte Tor
Autoren: Margaret Weis , Tracy Hickman
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Kapitel 1
Abri,
im Labyrinth
    Die Stadttore schlossen sich mit einem dumpfen
Hall. Vasu stand schweigend, in Gedanken versunken, auf den Zinnen der Mauer
und schaute über die Ebene. Ein neuer Morgen brach an, im Labyrinth nicht mehr
als eine langsame Graufärbung des nachtschwarzen Himmels. Dieser Morgen jedoch
war anders als die anderen, herrlicher und zugleich schrecklicher – überglänzt
von Hoffnung, verdunkelt von Furcht.
    Noch stand Abri, die Stadt im Herzen des
Labyrinths, unbesiegt nach einer blutigen Schlacht mit ihren erbittertsten
Feinden. Wenn auch der Rauch der Totenfeuer in den Himmel stieg, wagten die
Überlebenden doch zaghaft aufzuatmen und mit neuem Mut dem Tag entgegenzusehen.
    Dieser Morgen war erhellt von einem düsteren
roten Leuchten am fernen Horizont; einem Leuchten, das stärker und zorniger
wurde. Jene Patryn, die auf der Mauer Wache standen, richteten den Blick auf
den seltsamen, unnatürlichen Glanz, schüttelten den Kopf und sprachen mit
gedämpfter Stimme untereinander.
    »Das hat nichts Gutes zu bedeuten«, sagten sie
grimmig.
    Wer wollte ihnen ihre Schwarzseherei verdenken?
Nicht Vasu. Gewiß nicht Vasu, der wußte, was vor sich ging. Bald mußte er
seinem Volk die bittere Wahrheit sagen und die Zuversicht dieses Morgens
vernichten.
    »Dieses Leuchten ist der Widerschein der
Schlacht«, würde er sagen müssen. »Einer Schlacht um das Letzte Tor. Die
Drachenschlangen, die uns angegriffen haben, sind nicht besiegt, wie ihr
glaubt. Ja, wir haben vier von ihnen getötet, aber für jede, die stirbt,
erstehen zwei neue. Nun wenden sie sich gegen die Verteidiger des Letzten
Tores, um es zu verschließen und uns alle auf ewig in diesem furchtbaren
Gefängnis einzusperren.
    Unsere Brüder aus dem Nexus und jene nahe dem
Letzten Tor bekämpfen das Böse, doch sie sind wenige, und das Böse ist sehr
mächtig. Wir sind zu weit entfernt, um ihnen Hilfe zu bringen. Bis wir sie
erreichten – falls es uns gelänge, ohne allzu große Verluste die feindlichen
Reihen zu durchbrechen –, wäre es zu spät. Vielleicht ist es jetzt schon zu
spät.
    Und wenn das Letzte Tor geschlossen ist, wird
das Böse im Labyrinth erstarken. Unsere Angst und unser Haß werden im gleichen
Maße wachsen, und das Böse wird sich davon nähren und noch stärker werden, unüberwindlich.«
    Nein, es gab keine Hoffnung. Ihr Schicksal war
besiegelt. Weshalb also, während er hier auf der Mauer stand und den roten
Schein am Horizont beobachtete, flüsterte ihm eine innere Stimme zu: Noch
ist nicht alles verloren…?
    Wünsche. Illusionen. Er seufzte und schüttelte
den Kopf.
    Eine Hand berührte seinen Arm.
    »Seht, Obmann. Sie haben unbeschadet den Fluß erreicht.«
    Einer der Wachtposten neben Vasu glaubte wohl,
er seufzte aus Sorge um die beiden Fremden, den Mann und die Frau, die in der
dunklen Stunde vor Tagesanbruch die Stadt verlassen hatten, um sich auf die gefahrvolle
und wahrscheinlich aussichtslose Suche nach dem grüngoldenen Drachen zu
begeben, der ihnen in der Stunde der Not zu Hilfe gekommen war. Der grüngoldene
Drache, Tiergestalt des Drachenmagiers, hinter dem sich – unglaublich, aber
wahr – der tolpatschige Sartan mit dem Nichtigennamen Alfred verbarg.
    Natürlich hatte Vasu Angst um sie, doch er war
auch voller Hoffnung. Wieder diese unsinnige, unvernünftige Hoffnung.
    Vasu war kein Mann der Tat. Er war ein Denker,
ein Planer. Ein Blick auf seinen weichen, rundlichen, mit Patrynrunen
tätowierten Sartankörper genügte, um ihn daran zu erinnern. Seine Aufgabe
bestand darin, die nächsten Schritte zu überlegen, Entscheidungen zu treffen.
Es war an der Zeit, seinem Volk die Augen zu öffnen, Anweisungen zu geben, wie
man sich auf das Unausweichliche vorbereiten sollte.
    Doch er tat nichts dergleichen. Er stand auf dem
Wehrgang und sah auf den Nichtigen Hugh Mordhand und die Patrynfrau Marit
hinunter.
    Er sagte sich, er würde diese beiden niemals
wiedersehen. Sie waren im Begriff, das Labyrinth herauszufordern, zu jeder
Zeit ein Ort voller Gefahren, doppelt gefährlich nun, da Nachzügler der
geschlagenen Armee sich dort draußen herumtrieben und auf eine Gelegenheit zur
Rache lauerten. Ihre Mission war töricht und vergeblich. Er würde sie niemals
wiedersehen, nicht sie und nicht Alfred, den Drachenmagier, den grüngoldenen
Lindwurm, den sie retten wollten.
    Vasu stand auf der Mauer und wartete –
hoffnungsvoll – auf ihre Wiederkehr.
    Der
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