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Totgeburt

Totgeburt

Titel: Totgeburt
Autoren: Sam E. Maas
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würde sie sich rächen.
    „So störrisch, liebe Marie?“, fragte er forschend.
    Der Alte wusste, dass sie ihn hasste. Es war ein unausgesprochenes Geheimnis, das jedoch auf Gegenseitigkeit beruhte.
    „Schon OK“, sagte sie.
    „Dabei sage ich doch nur die Wahrheit. Es ist, wie es ist. Du solltest dich nie irgendwelchen Illusionen hingeben. Wir sind, wer wir sind. Wir handeln unserer Natur gemäß, unseren Kapazitäten entsprechend. Der eine ist schlau, der andere —“ Er tat so, als ob er nach den richtigen Worten suche, als wolle er sie nicht in Verlegenheit bringen. In Wahrheit hatte er genau das vor. „Sagen wir mal so, jeder von uns hat gewisse Vorzüge. Und am Ende dienen wir derselben Sache, dein Herr ist auch mein Herr. Lass uns das nicht vergessen.“
    „Ja, Doktor.“ Eines Tages würde sie … sie lenkte das Gespräch in eine andere Richtung, zurück zum Auftrag. „Sie sagten oral. Kein Problem.“ Sie griff nach unten, hob ihre Tasche auf und zog zwei Dosen Bier hervor. „Wie viel von der Substanz?“
    „So viel wie möglich.“
    „Wozu das Ganze?“, fragte sie.
    „Wir testen ihn. Das habe ich doch bereits gesagt. Übrigens, hatte ich schon erwähnt, dass ich Hausarzt seiner Mutter war?“
    „Sie haben gar nichts erwähnt, dass ist ja das Problem“, sagte sie gereizt.
    „Damals in den Achtzigern. Vielversprechendes Ding. Am Ende musste sie mich natürlich enttäuschen … wie all die anderen. Das scheint mein Kreuz zu sein“, sagte er nachdenklich. „Ich kann einfach nicht sehen, was der Spieler zu sehen scheint. Nun denn, lass uns sehen, was aus dem Nachwuchs geworden ist.“
    „Sie haben ihn nie untersucht?“, fragte sie verwundert.
    „Nein. Wozu? Wie ich schon sagte, ich kannte seine Mutter und ihre Schwester. Ich hatte den Wurf bereits abgeschrieben. Ihr Bauplan, der Bauplan ihrer Kinder schien grundlegend falsch. Es fehlte doch … ach, was langweile ich dich mit meiner Arbeit!“
    „Sie sagten, die Schwester?“
    „Natürlich hatte sie eine Schwester, ich arbeite mit Zwillingen, Marie. Soviel solltest du mittlerweile wissen. Und wenn ich recht behalten sollte, dann werde ich in Zukunft wieder mit Zwillingen arbeiten.“
    Tatsächlich hatte sie ihm und seiner Arbeit nie viel Beachtung geschenkt, vielmehr hatte sie den Tag verflucht, an dem sie ihm zugeteilt worden war. Dieser Aushilfsjob war von Anfang an eine Sackgasse gewesen, ein Knick in ihrer Karriere.
    „Worauf achten wir?“, fragte Marie und deutete auf die Spritze. „Woher wissen wir, dass er —“
    Der Doktor schnitt ihr das Wort ab. „Er überlebt. Das ist der Test. Simple Sache. Seine Mutter starb … wie sagt man noch so schön, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.“ Danach verfiel der Doktor in sinnlosen Selbsterklärungsversuchen. „Der genetische Bauplan, er sprach gegen die Familie. Und die Zeit, meine kostbare Zeit! Wie soll ein Mann das alles bewältigen? Unmöglich! Andere Subjekte schienen, nein, scheinen um einiges vielversprechender. Na gut, sollte er wider Erwarten überleben, machen wir weiter“, beendete er schließlich das hoffnungslose Unterfangen.
    „Wir machen weiter, womit?“, fragte sie.
    „Den Tests natürlich. Was sonst?“
    Er wollte nicht kooperieren.
    „Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, es zu überleben? Wie viele haben denn die erste Runde überlebt?“, versuchte sie ihr Glück.
    „Ein paar. Doch dann geht es immer weiter. Ich müsste tausende haben. Man müsste mir mehr Zeit geben, bessere Mitarbeiter —“
    „Was, wenn ich davon trinke?“, unterbrach sie ihn.
    „Nichts.“ Verachtung, sprach aus seinen Augen. „Selbstverständlich bist du resistent. Du kannst so viel davon trinken, wie du willst.“ Er lächelte plötzlich. „Ah, ich verstehe, was du machst. Sei nicht immer so neugierig. Denk an meine Worte, Marie. Schuster bleib bei deinen Leisten. Also, überlebt er die gesamte Testreihe, machen wir ihn zu einem von uns. Das fällt dann wieder in deinen Aufgabenbereich. Lass uns hoffen, dass der Spieler sich nicht irrt. Er macht Druck, wir müssen schleunigst Ergebnisse liefern.“
    „Seit wann interessiert er sich für I-H-R-E medizinische Forschung?“, fragte sie. Sie hatte mit seinen Forschungen nichts zu tun, er würde seine Fehler alleine ausbaden müssen.
    „Er hat sich schon immer für meine Arbeit interessiert. Wegen ihm bin ich nicht mehr in Afrika, das weißt du doch“, antwortete er gereizt.
    Zufrieden erkannte sie, dass sie ihn gekränkt hatte.
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