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1190 - Geisterrache

1190 - Geisterrache

Titel: 1190 - Geisterrache
Autoren: Jason Dark
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Ich schüttelte den Kopf wie jemand, der seine Benommenheit abstreifen will, obwohl ich keinesfalls benommen war. Ich hatte nur nicht mit der Reaktion meines Kreuzes gerechnet.
    Von der Seite her kam die dritte Person auf mich zu. Es war Alina Ambrose, die junge Witwe. Ihr Gesicht zeigte jetzt einen verstörten Ausdruck, als sie fragte: »Was ist denn mit Ihnen los, Mr. Sinclair?«
    Ich grinste mehr als ich lächelte und winkte lässig ab. »Lassen Sie mal, das ist schon okay.«
    »Das Kleid hat Sie so aus der Bahn geworfen, nicht?« Die Frau ließ nicht locker.
    »Nicht direkt.«
    »Aber ich habe es doch gesehen.« Sie fasste nach meinem Arm und schaute mich beschwörend an.
    »Das kann ich fast verstehen, Mr. Sinclair. Auch mir ist das Kleid fremd. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich nicht weiß, wo es hergekommen ist. Im Aktenschrank meines Mannes. Das ist für mich…«
    Da sie nicht mehr sprach, sagte ich: »Wahrscheinlich wird er es mitgebracht haben, Mrs. Ambrose.«
    »Warum sollte er das getan haben? Das Kleid einer fremden Frau. Man soll Toten nichts Schlechtes nachsagen. Nun fange ich an, seinen Beteuerungen, was Treue angeht, nicht mehr zu glauben. Ich habe das Gefühl, dass er mich doch bei seinen Treffen mit den drei Freunden betrogen hat.«
    »Bestimmt nicht, Mrs. Ambrose.«
    Sie ließ meinen Arm los. Glaubte mir allerdings nicht, das sah ich ihr an. »Was macht Sie denn so sicher?«
    »Glauben Sie mir!«, erklärte ich geduldig. »Alles Nähere erzähle ich Ihnen später.«
    Alina Ambrose merkte, dass ich das Gespräch nicht mehr fortsetzen wollte und zog sich zurück. Im Zimmer des toten Donald Ambrose wurde es stiller. Die Verkehrsgeräusche von draußen drangen nur gedämpft zu uns. Hell und klar war der Schein der tief stehenden Sonne, der durch das Fenster fiel.
    Suko hielt das Kleid noch immer fest wie der Verkäufer, der die Ware präsentierte. Nur der Blick passte nicht dazu. Ich sah die leichte Sorge in seinen Augen und bemerkte, dass seine Lippen zusammengepresst waren. Sein Blick gab mir das Gefühl, dass er irgendwie verstanden hatte.
    Ich ging auf ihn zu und blieb stehen, ohne das Kleid zu berühren. Es passierte nichts. Jetzt hatte ich mich auf die Reaktion meines Kreuzes vorbereitet, aber es blieb kühl. Möglicherweise war ich noch nicht nahe genug herangekommen. Ich wollte es jetzt auch nicht ausprobieren und deutete mit dem gekrümmten Zeigefinger meiner rechten Hand auf die bewusste Stelle an der Brust.
    Beinahe erleichtert atmete Suko auf. »Es war dein Kreuz, nicht wahr?«
    »Ja. Der plötzliche scharfe und stechende Schmerz hat mich zu sehr überrascht.«
    Suko hob das Kleid ein wenig an. »Das war der Grund.«
    »Ich nehme es an.«
    Er blieb ruhig. Dann - einige Sekunden später - fragte er: »Was sollen wir machen?«
    »Lass es los und leg es auf den Boden.«
    »Gern.«
    Ich schaute zu und blieb in respektvollem Abstand stehen. Suko und mir war längst klar, dass es sich bei diesem Kleid um kein normales Stück handelte. Das lag nicht nur an seinem Alter und an seinem Stoff, sondern mehr an der Trägerin, die uns wie ein Spuk umgab, denn wir hatten sie noch nie zu Gesicht bekommen.
    Wir wussten nur, dass sie Gunhilla Blaisdell hieß. Nicht mehr und nicht weniger. Und wir konnten annehmen, dass sie eine mehr als ungewöhnliche Person war. Möglicherweise sogar eine Frau, die man früher als Hexe bezeichnete.
    Sicher waren wir nicht. Wir wussten nur, dass es zwei Männer gab, die Selbstmord begangen hatten.
    Einer war Don Ambrose gewesen. Er hatte sich vom Dach seiner Druckerei gestürzt, und das völlig motivlos, wie uns seine Frau versicherte.
    Zum zweiten hatte sich ein Mafioso namens Gino Cobani umgebracht. Und das in unserem Beisein.
    In der U-Bahn hatte er plötzlich einen Revolver gezogen, sich den Lauf in den Mund gesteckt und abgedrückt. Dass ihm dabei zahlreiche Zeugen zugeschaut hatten, war für ihn nicht relevant gewesen.
    Suko und ich hatten uns um den Fall gekümmert und erfahren müssen, dass dieser Mafioso zwei Leben geführt hatte. Ein offizielles und ein sehr privates. Er hatte sich mit Geister-Phänomenen beschäftigt, ebenso wie Ambrose. Sie und zwei andere Männer hatten sich in bestimmten Abständen getroffen, um etwas auszuprobieren.
    Was es genau war, wussten wir nicht. Aber es hatte mit der Erschaffung eines Geistes zu tun. Das hatten wir einem Buch entnommen, von dem es zumindest zwei Exemplare gab. Eines lag in Cobanis Wohnung, das andere hier in
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