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Totgeburt

Totgeburt

Titel: Totgeburt
Autoren: Sam E. Maas
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Zeit geben, sich an ihre Anwesenheit zu gewöhnen.
    „Es herrscht Flaute“, informierte er sie Minuten später. „Ich habe schon länger nichts mehr in die Finger bekommen. Ich meine richtiges Zeug. Das muss sich jetzt unbedingt ändern. Bin schon völlig durch den Wind.“
    “Ach, ich bin mir sicher, dass Rettung naht. Mach dir keinen Kopf, Mann“, munterte sie ihn auf.
    “Gott, ich hoffe es“, antwortete er.
    „Vertrau mir“, sagte sie selbstsicher.
    Er blickte sie an, nur kurz, aber ihre Selbstsicherheit schien ihm zu imponieren. Leute ohne eigenes Rückgrat suchten immer das Rückgrat anderer, waren quasi auf Prothesen angewiesen.
    Eine weitere Minute verging.
    „Was genau suchst du denn?“, fragte sie.
    „Pfff … egal, Hauptsache 'ne Dröhnung.“
    „OK. Das ist ja nicht zu viel verlangt.“
    „Ja, alles außer Crack und Meth.“
    Also doch wählerisch!
    „Was hast du denn gegen Crack und Meth?“
    „Weiß nicht.“
    „Auf Meth kann man voll geil abgehen. Ich verliere dann alle Hemmungen, wenn du weißt, was ich meine“, versuchte sie sein Interesse zu wecken.
    Er reagierte nicht. Verstand er wirklich nicht, was sie da andeutete?
    Oh doch, er verstand sehr wohl, realisierte sie. Er war bloß ein schüchternes Bürschchen.
    „Crack ist billig und haut rein. Also, wenn mir jetzt jemand eine Pfeife anbieten würde, könnte ich nicht nein sagen“, sprach sie weiter.
    „Nein, davon komme ich nur schräg drauf. Hat keinen Zweck bei mir“, sagte er.
    „Na gut, jeder, wie er will.“
    Sie schwiegen sich erneut an. Seine Lippen bewegten sich von Zeit zu Zeit, so als ob er etwas sagen wollte, sich aber dann doch dagegen entschied.
    „Wenn sich nicht bald was ergibt, geh ich einen Bekannten besuchen. Der ist eigentlich immer flüssig“, nahm sie schließlich das Wort in die Hand.
    Er sah sie an, traute sich aber nicht zu fragen. Wie konnte jemand, der es so nötig hatte, immer noch dermaßen zurückhaltend sein?
    „Falls du Lust hast, kannst du ja mitkommen. Der ist locker. Der hat mich bisher noch nie enttäuscht.“
    Das hatte der Junkie hören wollen. Mit Hoffnung ließ sich so ziemlich jeder Fisch fangen. Sie nahm ihre Tasche hervor, kramte einen Joint hervor und steckte ihn sich an. Sie zog mehrmals, spielte mit dem Qualm und genoss seine Aufmerksamkeit.
    „Geiles Zeug“, sagte sie beim ausatmen und fügte dann ein „Schwarzer Afghane“ hinzu.
    Das stimmte nicht, aber es hörte sich einfach besser an. Sie fragte erst gar nicht, sondern reichte ihn direkt weiter. Er zögerte nicht und zog gierig an der Lunte. Sie rauchten schweigend vor sich hin, ließen den Joint hin– und herwandern. Damit hing der Fisch am Haken.
    Seine Laune begann sich zu bessern und er plapperte ein wenig vor sich hin. Er wollte sich in ein besseres Licht rücken. Anscheinend hatte er Angst, sie könne es sich anders überlegen und alleine zu ihrem Kumpel gehen. Er hätte lieber den Mund halten sollen, jede andere wäre schon längst geflüchtet. So ein wirrer Hund!
    „Ich muss mal kurz“, entschuldigte Marie sich, nachdem sie davon überzeugt war, dass die zarten Fäden halten würden.
    Von den Büschen geschützt, kramte sie Bier und Substanz hervor und vermengte beides. Anschließend trat sie pfeifend hervor, blieb auf halben Weg vor ihm stehen und trank demonstrativ einen kleinen Schluck aus der Dose.
    Wieder hatte sie seine volle Aufmerksamkeit. Der weite Weg durch die Stadt musste ihn schon durstig gemacht haben — eine halbe Stunde lang hatten sie ihn verfolgt — und der Rauch des Joints hatte das übrige getan, um seine Kehle auszutrocknen. Außerdem war unter Drogies Alkohol ein allgemein akzeptierter Ersatzstoff.
    „Oh, entschuldige“, sagte sie, ging auf ihn zu und übergab ihm strahlenden Lächelns das Getränk. „Ich habe noch eine. Ist zwar kein Hero … aber auch kein Meth. Hau rein!“, sagte sie kichernd. „Aber lass uns noch anstoßen.“
    „Danke“, sagte er.
    „Auf uns“, sagte sie. „Auf neue Freundschaft … guck mir ja in die Augen, keine Lust auf sieben Jahre schlechten Sex.“
    Er gehorchte.
    „Gott, ist das bitter“, beschwerte er sich nach dem ersten Schluck. Der freche Kerl roch skeptisch an der Öffnung, kramte das Feuer hervor und sah nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum.
    „Das ist noch frisch … habe auch davon getrunken“, sagte sie.
    „Bis November 2011“, stimmte er ihr zu.
    „Siehst du? Das sind noch ein paar Monate. Vielleicht hat ja der Afghane deinen
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