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Totgeburt

Totgeburt

Titel: Totgeburt
Autoren: Sam E. Maas
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würde er schon mal nicht sterben, so viel wusste sie.
    Was sah der Spieler in ihm? In diesem Punkt waren sich Marie und der Alte ausnahmsweise einig, da war nichts. Auch wenn sie den Kerl zu einen von ihnen machten, würde er ein Idiot bleiben. Daran konnte nichts auf der Welt etwas ändern. Rekruten zeichneten sich grundsätzlich auf die ein oder andere Art aus. Ihr Talent musste einem förmlich ins Gesicht springen, sonst lohnte sich der ganze Aufwand nicht. Das hatte mit der Verdrahtung im Gehirn zu tun und der biologischen Mitgift, die man in die Familie einzubringen hatte.
    Wenn da wider erwarten etwas sein sollte, dann ruhte es im Verborgenen und blieb unerreichbar für Maries Auge ebenso wie für das Mikroskop des Doktors. Dennoch lag der Schlüssel zum Geheimnis in eben dessen Arbeit. Denn irgendwo in den Forschungsergebnissen, wahrscheinlich der Patientenakte der Mutter, hatte der Spieler diese Besonderheit aufgespürt.
    Wieso weigerte sich der Alte denn so vehement, sie mit seinen Experimenten vertraut zu machen? Er wusste doch, was das vermeintlich Tolle an dem Junkie war. Außerdem wusste er, dass sie nicht dumm war. Wie gesagt, Idioten wurden schlicht und ergreifend nicht rekrutiert. Nein, er wollte sie bloß schikanieren. Es waren Machtspielchen, das war alles. Wohl oder übel, musste sie von alleine auf des Rätsels Lösung kommen. Nur wie?
    OK. Der Doktor machte ihr Druck und der Spieler wiederum dem Doktor. Der Spieler kümmerte sich nur um das Gesamtbild, hielt den Laden auf Kurs. Er gehörte nach ganz oben und war nur ihrem Vater Rechenschaft schuldig. Kontaktierte er ein Familienmitglied, führte es unverzüglich dessen Befehle aus. Niemand kam auf die Idee, ihm zu widersprechen. Und mit seinem Befehl, erhielt der Beauftragte Autorität über all die anderen Brüder und Schwestern. Man brauchte nur zu sagen, dass er einen beauftragt hatte, dies oder jenes zu erledigen und schon kuschten die Geschwister. Natürlich glaubte man demjenigen, der behauptete mit ihm in Kontakt zu stehen. Wer wäre schon so doof gewesen, das zu erfinden?
    Der Spieler war so eine Art mythologischer Gestalt. Niemand, den Marie kannte, hatte ihn jemals zu Gesicht bekommen und dennoch waren seine Taten legendär. Jeder wusste, nein, vielmehr glaubte jeder, dass es ihn gab.
    Nun richtete sich dessen Blick auf das beschauliche Berlin, einer Stadt, die nach 1990 sämtlichen Charme verloren hatte. Und als ob das nicht schon bizarr genug gewesen wäre, senkte sich sein Blick ausgerechnet auf dieses wertlose Stück Fleisch — einen Stricher!
    Eben jener Stricher sah sie gerade mit großen Augen an, er erwartete etwas von ihr. Also nickte sie zustimmend. Was hatte er gerade gesagt? Polizei? Egal, je länger sie mit dem Drogie zu tun hatte, desto schwieriger wurde es, nicht dem Drang nachzugeben ihm Schmerzen zuzufügen. Am Liebsten hätte sie ihn von der Bank gezerrt und die Scheiße aus ihm rausgetreten. Aber das kam leider nicht in Frage.
    Sobald das Gift ihm den Garaus machte, würde sie ihn zum Abschied noch eins mit auf den Weg geben. Wenn er am Boden lag, ein Tritt in die Fresse.
    Wie sollte sie ihn auch ernst nehmen? Er sprach mit dieser leisen, unverständlichen Stimme. Nein, jämmerlich traf die Sache besser. Schüchtern suchte er nun in ihrem Gesicht nach Zeichen von Verständnis und Zustimmung, während eine Belanglosigkeit nach der anderen über seine Lippen kam. Es war ihr völlig egal, was er sagte, nur durfte sie das nicht zeigen. Sie musste ihn bei Laune halten und ihm von Zeit zu Zeit Bestätigung zukommen lassen … was hatte er gerade gesagt? Spiegel? Einfach nur nicken, sagte sich Marie … wie oft bekam der Kerl eigentlich eine nackte Frau zu sehen?
    Marie gönnte sich den Spaß und spielte ein wenig mit ihren Reizen, subtil natürlich. Sie wurde abermals bestätigt, er konnte einfach nicht hingucken. Oh je, sie machte den kleinen Jungen ja richtig verlegen! Anstatt ihr auf den Arsch zu starren oder in den Ausschnitt zu gucken, tat er so, als sei nichts passiert. Ein Gentleman? Nein, impotent, schwach.
    Der Junkie hätte lieber mal Viagra schlucken sollen, entschied sie. Doch dagegen wäre er mit Sicherheit immun gewesen. Sie kicherte, was anscheinend nicht zu dem passte, was er gerade gesagt hatte. Da entschuldigte sie sich bei dem verstört glotzenden Kerl. Schuld sei der Entzug. „Ja, die Nerven“, antwortete er.
    Wenn er am Boden lag, ein Tritt in die Fresse.
    Sie konnte ihm beim besten Willen nicht
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