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Der gute Mensch von Sezuan

Der gute Mensch von Sezuan

Titel: Der gute Mensch von Sezuan
Autoren: Hermann Hesse
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Vorspiel
Eine Straße in der Hauptstadt von Sezuan
    Es ist Abend. Wang, der Wasserverkäufer, stellt sich dem Publikum vor.
    WANG Ich bin Wasserverkäufer hier in der Hauptstadt von Sezuan. Mein Geschäft ist mühselig. Wenn es wenig Wasser gibt, muß ich weit danach laufen. Und gibt es viel, bin ich ohne Verdienst. Aber in unserer Provinz herrscht überhaupt große Armut. Es heißt allgemein, daß uns nur noch die Götter helfen können. Zu meiner unaussprechlichen Freude erfahre ich von einem Vieheinkäufer, der viel herumkommt, daß einige der höchsten Götter schon unterwegs sind und auch hier in Sezuan erwartet werden dürfen. Der Himmel soll sehr beunruhigt sein wegen der vielen Klagen, die zu ihm aufsteigen. Seit drei Tagen warte ich hier am Eingang der Stadt, besonders gegen Abend, damit ich sie als erster begrüßen kann. Später hätte ich ja dazu wohl kaum mehr Gelegenheit, sie werden von Hochgestellten umgeben sein und überhaupt stark überlaufen werden. Wenn ich sie nur erkenne! Sie müssen ja nicht zusammen kommen. Vielleicht kommen sie einzeln, damit sie nicht so auffallen. Die dort können es nicht sein, die kommen von der Arbeit. Er betrachtet vorübergehende Arbeiter. Ihre Schultern sind ganz eingedrückt vom Lastentragen. Der dort ist auch ganz unmöglich ein Gott, er hat Tinte an den Fingern. Das ist höchstens ein Büroangestellter in einer Zementfabrik. Nicht einmal diese Herren dort zwei Herren gehen vorüber kommen mir wie Götter vor, sie haben einen brutalen Ausdruck wie Leute, die viel prügeln, und das haben die Götter nicht nötig. Aber dort, diese drei! Mit denen sieht es schon ganz anders aus. Sie sind wohlgenährt, weisen kein Zeichen irgendeiner Beschäftigung auf und haben Staub auf den Schuhen, kommen also von weit her. Das sind sie! Verfügt über mich, Erleuchtete! Er wirft sich zu Boden.
    DER ERSTE GOTT erfreut: Werden wir hier erwartet?
    WANG gibt ihnen zu trinken: Seit langem. Aber nur ich wußte, daß ihr kommt.
    DER ERSTE GOTT Da benötigen wir also für heute Nacht ein Quartier. Weißt du eines?
    WANG Eines? Unzählige! Die Stadt steht zu euren Diensten, o Erleuchtete! Wo wünscht ihr zu wohnen?
    Die Götter sehen einander vielsagend an.
    DER ERSTE GOTT Nimm das nächste Haus, mein Sohn! Versuch es zunächst mit dem allernächsten!
    WANG Ich habe nur etwas Sorge, daß ich mir die Feindschaft der Mächtigen zuziehe, wenn ich einen von ihnen besonders bevorzuge.
    DER ERSTE GOTT Da befehlen wir dir eben: nimm den nächsten!
    WANG Das ist der Herr Fo dort drüben! Geduldet euch einen Augenblick! Er läuft zu einem Haus und schlägt an die Tür. Sie wird geöffnet, aber man sieht, er wird abgewiesen. Er kommt zögernd zurück.
    WANG Das ist dumm. Der Herr Fo ist gerade nicht zu Hause und seine Dienerschaft wagt nichts ohne seinen Befehl zu tun, da er sehr streng ist. Er wird nicht wenig toben, wenn er erfährt, wen man ihm da abgewiesen hat, wie?
    DIE GÖTTER lächelnd: Sicher.
    WANG Also noch einen Augenblick! Das Haus nebenan gehört der Witwe Su. Sie wird außer sich sein vor Freude. Er läuft hin, wird aber anscheinend auch dort abgewiesen.
    WANG Ich muß dort drüben nachfragen. Sie sagt, sie hat nur ein kleines Zimmerchen, das nicht instand gesetzt ist. Ich wende mich sofort an Herrn Tscheng.
    DER ZWEITE GOTT Aber ein kleines Zimmer genügt uns. Sag, wir kommen.
    WANG Auch wenn es nicht aufgeräumt ist? Vielleicht wimmelt es von Spinnen.
    DER ZWEITE GOTT Das macht nichts. Wo Spinnen sind, gibt's wenig Fliegen.
    DER DRITTE GOTT freundlich zu Wang: Geh zu Herrn Tscheng oder sonstwohin, mein Sohn, ich ekle mich vor Spinnen doch ein wenig.
    Wang klopft wieder wo an und wird eingelassen.
    STIMME AUS DEM HAUSE Verschone uns mit deinen Göttern! Wir haben andere Sorgen!
    WANG zurück zu den Göttern: Herr Tscheng ist außer sich, er hat das ganze Haus voll Verwandtschaft und wagt nicht, euch unter die Augen zu treten, Erleuchtete. Unter uns, ich glaube, es sind böse Menschen darunter, die er euch nicht zeigen will. Er hat zu große Furcht vor eurem Urteil. Das ist es.
    DER DRITTE GOTT Sind wir denn so fürchterlich?
    WANG Nur gegen die bösen Menschen, nicht wahr? Man weiß doch, daß die Provinz Kwan seit Jahrzehnten von Überschwemmungen heimgesucht wird.
    DER ZWEITE GOTT So? Und warum das?
    WANG Nun, weil dort keine Gottesfurcht herrscht.
    DER ZWEITE GOTT Unsinn! Weil sie den Staudamm verfallen ließen.
    DER ERSTE GOTT Ssst! Zu Wang: Hoffst du noch, mein Sohn?
    WANG Wie
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