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Lukianenko Sergej

Lukianenko Sergej

Titel: Lukianenko Sergej
Autoren: Trix Solier 3445BAB7
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arum nur bekümmerte Trix, den einzigen und
rechtmäßigen Erben des Co-Herzogs Rett Solier,
sein Äußeres so sehr?
    Er stand vor einem alten, trüben Spiegel, der schon
seit drei Generationen im Schlafgemach der männlichen
Erben hing, und betrachtete skeptisch sein Spiegelbild.
Daran war der Spiegel gewöhnt. Er kannte die entsetzten
Gesichter beim Anblick eines sprießenden Pickels oder
jener Kratzer, die eine ungeschickte und noch vor dem
ersten Bartwuchs gewagte Rasur hinterlassen hatte,
schließlich achteten alle jungen Co-Herzöge im Hause
Solier auf ihr Äußeres. Zumindest auf die wichtigen Details: ob die Hosen zugeknöpft waren, ob sich die Taschen
nicht zu sehr beulten, weil sie mal wieder eine Menge
interessanter Dinge enthielten (die natürlich kein Erwachsener billigte), ob die Haare nicht nach allen Seiten
abstanden und ob der frische blaue Fleck gut gepudert
war (Puder war für die Angehörigen beiderlei Geschlechts unersetzlich).
    Trotzdem schlug Trix irgendwie aus der Art. Die traditionellen Beschäftigungen für Kinder wie Jagd und Fechten hatte er nie gemocht, stattdessen las er und verbrachte
viel Zeit mit den Hofzauberern und Chronisten. Was ihn
am Jagen und Fechten jedoch am meisten störte, war,
dass es Beschäftigungen für Kinder waren. Zu seinem
Leidwesen hatte auch noch seine Mutter, die Herzogin
Solier, gewisse Probleme mit seinem Alter (und auch mit
ihrem eigenen, denn sie war nun schon fünfzehn Jahre
lang fünfundzwanzig). So hatte sie ihm zum letzten Geburtstag ein prächtiges Pferd geschenkt, einen Apfelschimmel. An dem hätte Trix nicht das Geringste auszusetzen gehabt – wäre er nicht aus Holz und mit Rädern
gewesen. Morgen, zu seinem vierzehnten Geburtstag,
sollte er »sehr hübsche Büchlein« bekommen. Zwar teilte
Trix unbedingt die Ansicht, Bücher seien die schönsten
Geschenke, seine Freude zügelte er aber trotzdem. Er
vermutete nämlich, es würde sich um Bücher mit Bildern
handeln – und gewiss nicht mit solchen, wie er sie aus
dem Folianten Eichenzweig und Lotusblume kannte, den
er sich heimlich aus der herzoglichen Bibliothek besorgt
hatte.
    Doch zurück zu Trix’ Spiegelbild. Fangen wir oben
an. Oben waren die Haare. Schwarze Haare. Trix hätte
blonde bevorzugt, zur Not auch rote, denn das wäre immerhin ungewöhnlich gewesen.
    Alles in allem fand er sein Haar aber akzeptabel.
Dann folgte das Gesicht, das Trix besonders aufmerksam musterte. An den Einzelheiten war eigentlich nichts
auszusetzen. Stirn und Nase hatte er vom Vater, die Ohren von der Mutter, normale Ohren übrigens, keine Segel-, Spitz- oder Riesenohren. Auch über den Mund beschwerte sich Trix nicht, schließlich erfüllte er seine
Funktion tadellos. Das Kinn war nicht besser und nicht
schlechter als jedes andere Kinn auch – sah er mal vom
fehlenden Bartwuchs ab.
Was Trix aber überhaupt nicht gefiel, war die Art und
Weise, wie sich diese Teile zusammensetzten. Was dabei
herauskam, ließ sich nämlich nur mit dem hässlichen
Wort »Jüngling«, ja sogar mit dem noch schrecklicheren
Wort »Junge« bezeichnen, auf keinen Fall aber mit »junger Mann«.
Zu allem Überfluss wirkte das Ergebnis auch noch absolut harmlos. Ob daran die vollen Lippen schuld waren?
Trix presste sie aufeinander – und der Jüngling im Spiegel verwandelte sich in einen widerwärtigen Kerl. Diesen
Trix brauchte man bloß anzusehen und schon wollte man
das Herzogtum stürzen; den Mut und die Tapferkeit eines
alten Geschlechts verkörperte er jedenfalls nicht.
»Ei pottstausend!«, fuhr Trix den Spiegel an. »Du blödes Ding!«
Der Spiegel tat so, als habe er mit der Sache nichts zu
tun.
Trix wandte sich um und stapfte zur Tür. Ihm stand
ein weiterer öder Tag bevor, vollgestopft mit den Pflichten eines Thronfolgers. Noch dazu ein Empfangstag. Da
hieß es, zunächst den väterlichen Unterhandlungen mit
Kaufleuten, Pächtern und Gildemeistern beizuwohnen.
Sie alle wollten weniger zahlen und mehr verdienen. Da
genau das auch der Co-Herzog Rett Solier wollte, zogen
sich diese langweiligen Gespräche immer ewig hin.
Anschließend musste Trix selbst empfangen. Natürlich
durfte er noch keine Fragen von Bedeutung klären, sondern hatte Kinderprobleme zu lösen. Zum Beispiel, wenn
die Lehrlinge der Schmiedegilde eine Schlägerei mit den
Lehrlingen der Bäckergilde angefangen hatten. Wer übrigens glaubt, dabei hätten die unschuldigen Nudelholzschwinger von den muskulösen
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