Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Roxelane

Titel: Roxelane
Autoren: Johannes Tralow
Vom Netzwerk:
1
    Die Katze nieste. - Von abenteuernden Fruchtpollen war die Luft auch geradezu wie erfüllt. Denn einen langen Frühling und Frühsommer hindurch hatte die unabsehbare Steppe immer wieder von neuem geblüht, immer war etwas bei ihr in Blüte und etwas in Frucht gewesen, bis dann der Sommer das ganze bunte Märchen verbrannt hatte. Jetzt aber war es, als habe sich aus der Steppe, weit zahlreicher als der Sand aller Meere, ein eroberungssüchtiges Heer erhoben, so dicht stäubte der Ostwind den Samen der Weite über den Strom. Alles durchdrang dieser Samen, sogar rosige Tiernüstern.
    Und so kam es, daß die kleine Katze auf der Kosakeninsel Chortiza im Dnepr mitten in die große Sonne hineinniesen mußte.
    Mehr aus Wähligkeit als aus Unbehagen nieste sie. Unbehaglich war ihr durchaus nicht. Dazu war sie durch einen fetten Weißfisch viel zu angenehm gesättigt.
    Selbstverständlich machte sie sich auch nichts daraus, daß Rosska den Fisch ausnahmsweise einmal nicht gestohlen hatte. Die Katze bekam ihre Fische von der Rosska. Um etwas anderes bekümmerte sie sich nicht. Aber auch Rosska war nicht immer sehr bedenklich.
    Wenn sich nachts kein Fisch an ihre Angelschnüre verloren hatte, dann stahl sie sich einen oder zwei. Und das konnte sie auch sehr leicht, weil sie der Katze in manchem so ähnlich war.
    Zwar ließen sich Rosskas Hemd und ihr Röckchen, durch dessen Löcher man das blanke Fleisch sehen konnte, keineswegs mit dem herrlichen Seidenfell des Kätzchens vergleichen. Dafür jedoch war Rosskas Zeug schnell abzustreifen, wenn sie unter Wasser zu den Netzen hinüberschwimmen wollte. Selten kehrte sie dann ohne Beute wieder zurück und immer mit einem Gewissen, das nicht viel schwerer wog als das des Kätzchens.
    Rosska dachte nämlich, daß alles, was man aus Liebe tue, nicht so ganz schlimm sein könne.
    Zu ihrer Katze aber hegte Rosska eine große Liebe, und wenn Rosska liebte, tat sie viel, und überhaupt hatte es Vater Serafim, der Pope, manchmal recht schwer mit ihr.
    Doch das alles änderte nichts daran, daß sie und die Katze nun einmal zusammengehörten.
    Beide standen in ihrem Frühling, und beide waren sie überzeugt, daß diese seltsame Welt eigens für sie erschaffen sei.
    Und wie das Tier eben nur die Katze war, so war das Mädchen auch nur Rosska, was bei den Kosaken soviel wie ,die Russin“ heißen sollte und mehr ein Schimpf als ein Name war. Denn einen eigentlichen Namen, der niemand sonst gehörte, hatten weder das Tier noch das Mädchen.
    Mädchen und Tier hätten auch nichts damit anzufangen gewußt.
    Die Katze schon darum nicht, weil sie vom Schnäuzchen bis zur Schwanzspitze völlig nur von sich selbst durchdrungen war. Mochte sie auch eine hochbeinige kleine Tatarin sein, so lebten in ihrem Blut doch immer noch versprengte Erinnerungen an Katzentempel im alten Ägypten und an vergötterte Ahnen, die einst in erregenden Baldrianwolken überirdisch dahingeschwebt waren. Die Katze hätte sich also niemals so weit herabgelassen, auf einen Rufnamen zu hören!
    Das Mädchen freilich hatte weniger Grund, hochmütig zu sein. Aber auch sie behalf sich auf ihre Weise.
    Wenn sie hörte, daß die Leute von „Denko Seiner“ sprachen, wobei sie mit „Denko“ den Ataman Kurenoi meinten, dann drückte sich Rosska so schnell wie möglich, denn dann wußte sie, daß von ihr die Rede war, und das hatte in keinem Fall etwas Gutes zu bedeuten. Und wenn die Jungen Häßliches über „Rosskas gelbe Teufelskatze“ riefen und dem Tierchen Schmach antaten, dann streckte sie den blöden Bengeln nur die Zunge heraus.
    So war es sonst immer gewesen, und die kleine Gelbe hatte sich derart an Rosskas Dienste gewöhnt, daß sie sich genauso in Sicherheit wähnte wie ihre Ahnen im Tempel.
    Sie war es aber keineswegs. Denn wie sie jetzt in die Sonne nieste und dabei die heranschleichenden Jungen bemerkte, war weit und
    breit keine Rosska zu sehen.
    Die legte nämlich gerade ihre Fangschnüre neu aus, was in aller Heimlichkeit geschehen mußte, wenn sie nicht wollte, daß ein anderer an ihrer Stelle die Beute erntete. Und das wollte Rosska durchaus nicht! Dazu hatte sie sich alles erst mit zu großen Mühen verschaffen müssen.
    Selbst hatte sie sich ihre Schnüre aus dem Flachs geseilert, der die einzige Nutzpflanze der Kosaken war. Netze, Schiffstaue und Seile waren denn auch neben gedörrtem Fisch alles, was die Männer den Dnepr hinab zu den Städten des Schwarzen Meeres verfrachteten, zu den Wundern aus
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher