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Roxelane

Titel: Roxelane
Autoren: Johannes Tralow
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Stein, die Rosska auch einmal sehen wollte, wenn sie erst groß sein würde.
    Rosskas Fangschnüre hatten demnach ihren Wert. Die Angelhaken zu beschaffen, war geradezu gefährlich gewesen; denn ohne kleine Eigentumsverletzungen war es dabei nicht abgegangen. Sogar die Regenwürmer hatten Schwierigkeiten gemacht. In dieser Dürre waren sie zu seltenen Tieren geworden, und so mußten Fischabfälle und Larven von Schmeißfliegen sie zum größten Teil ersetzen.
    Rosska hatte also viel zu tun und zu denken, während ihre kleine unerfahrene Katze sich in der größten Not ihres jungen Lebens befand.
    Völlig allein war das arme Tier mit den grinsenden Jungen, die Rosskas Abwesenheit wahrnehmen wollten.
    Trotzdem vergab die Katze sich nichts.
    Fauchend und mit krummem Buckel gab sie sich das Aussehen eines gefährlichen Raubtiers, und dabei blieb sie, bis der erste Stein sie traf. Beim zweiten freilich hing sie auch schon an der Schilfwand der nächsten Hütte. Nur noch ein kleines, und sie wäre gerettet gewesen. Aber... der zweite Wurf zerbrach ihr den linken Hinterlauf. So fiel sie herunter, und so wurde die Jagd eine Steinigung und ein Morden. Mit einem Schlage war Lärm überall.
    Die Knaben johlten, einige Schweine, die sich mit Ausdauer ihre Kulen in den rissigen Boden gesielt hatten, wurden jäh aus ihrer Beschaulichkeit geschreckt und stoben quietschend davon. Die kläffenden Dorfköter aber wurden nur durch den Steinhagel davon abgehalten, der Katze das Genick zu zermalmen.
    Doch in diesem Augenblick vieler Tode bäumten sich in der Gemarterten letzter Haß und letzte Verachtung und ließen sie nicht zum Sterben kommen.
    Und da geschah es.
    Gerade als der krummbeinige Pjotr „Aufgepaßt!“ rief und einen dicken Stein aufheben wollte, der der letzte sein sollte, um das Werk abzuschließen und eine eben noch atmende Katze, ein lebendiges kleines Wunder gleichsam, in eine unschöne und besudelte Tierleiche zu verwandeln - gerade in diesem Augenblick zwang ein hoher, gellender Schrei den Jungen, sich seitlich zu wenden.
    Rosska stürmte heran.
    „Hundesöhne!“ schrie sie, wie sie es von den Großen gelernt hatte. „Dreckige, feige Schweine!“
    Ihre roten Haare flammten im Lauf, die graublauen Augen funkelten vor Kampflust und Zorn.
    An einem Tauende schwang sie als Schleuder einen durchlochten Stein.
    Es war der einfache Warpanker, den sie sich für ihre Angelschnüre zurechtgemacht hatte. Und jetzt, nach einer weit ausholenden kreisenden Bewegung ihres Armes, entließ sie aus ihrer sich öffnenden Hand den Strick und den Stein und mit beiden das Schicksal.
    Aber noch während das Geschoß seine unverrückbare Bahn durchmaß, fühlte Rosska die Schwere des Augenblicks. Gern hätte sie die Waffe zurückholen mögen, doch leer und ohne Macht war ihre Hand. Dann wieder wußte sie nicht, ob sie das Geschehene auch wirklich ungeschehen machen würde, wenn sie das noch gekonnt hätte, um sich ganz zuletzt einen zweiten Stein, eine Unmasse von Steinen zu wünschen. Mit allen, aber auch allen wollte sie diese Meute von junger Menschenbrut unbarmherzig treffen und vernichten und wieder treffen!
    Denn nun sah sie das Blut ihrer Katze, hörte sie ein hauchdünnes, wehes Miau. - Keinen Augenblick besann sich Rosska.
    Sofort lag sie neben der Sterbenswunden und wischte ihr mit einem
    Rockzipfel das Blut vom Kopf, vom Rumpf und vom zerschmetterten Bein.
    Schwere Tränen tropften dabei auf das gelbe, blutüberströmte Fell, während aus Rosskas aufgerissenem Mund hemmungslos ein urgründiges Schluchzen hervorbrach. Die Freundin starb, das Tier, das sie liebte, weil es ihrer so sehr bedurfte.
    Rosskas Schmerz war darum nicht geringer, weil sie ihn mit noch unerschlossener Seele litt.
    Sie hätte so gern die Katze mit ihrem Leib gedeckt; aber sie war zu spät gekommen.
    Und jetzt flogen keine Steine mehr, kein Johlen drang an ihr Ohr. Eine schreckliche Stille war um Rosska, eine Stille, die nicht aus ihr selbst kam.
    Von diesem lastenden Schweigen bezwungen, hob sie endlich ihre Augen, und da sah sie . . .
    Fast schüchtern standen die Knaben da, und sie hatten doch eben noch das Bedürfnis gehabt, sich an den Qualen eines schwachen Tieres zu künftig unerschrockenen Seemännern, Steppenreitern und Piraten abzuhärten.
    Doch nun steckten sie ihre Köpfe zusammen.
    Daß die Schmach eines Backenstreichs oder Stockhiebs vom freien Kosaken nur mit Blut abgewaschen werden konnte, das wußten die Jungen, und das wußte
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