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Roxelane

Titel: Roxelane
Autoren: Johannes Tralow
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ungläubigen
    Türken sie erstürmt und die Aja Sofia zur Moschee gemacht hatten, gab es keine griechischen Kaiser mehr. Immer aber stand noch, allen Rechtgläubigen ein Mittelpunkt, der Patriarchenthron in Konstantinopel.
    Trotz Türkensultan und Janitscharen blieb daher den Saporogern wie allen griechisch-katholischen Christen die Stätte heilig, wie Jerusalem, das ein gleiches Schicksal gehabt hatte, heilig geblieben war. So redeten denn auch Rosska und Serafim nicht zum erstenmal von der heiligen Stadt, die für sie nur das Märchen war, an dem der Mönch mit immer gleicher Begeisterung dichtete.
    Seine Augen leuchteten auch jetzt, während er sprach.
    Rosska aber sah zu ihm auf, und ihre Vorstellungen vom Antlitz Christi verschmolzen mit seinem gotterfüllten zu einem einzigen. „Warst du wirklich nie in der heiligen Stadt, Serafim?“ fragte sie ihn. Da erwachte er und erschrak.
    „Wie sollte ich, ein ungelehrter Mönch?“ wehrte er ab. „Keiner von uns wird sie sehen“, fuhr er dann fort, „ich nicht, und du auch nicht. Sie ist zu fern und viel zu hoch für uns. Aber um deine Seele handelt es sich, Rossuschka. Und so wahr die heilige Stadt schöner ist als alle andern Städte und der Himmel weit herrlicher ist als sie, so ist es Gottes Wille, daß deine Seele nicht verlorengehe. Siehe, ich gedachte es gut zu machen und deine Seele zu bezwingen. Aber ich machte es schlecht. Denn eine Heimlichkeit ist wie eine Lüge, und ich hatte eine Heimlichkeit vor dir.“
    Rosska runzelte die Brauen.
    „Kamen sie, mich zu suchen?“ erkundigte sie sich und sah sich nach einem Versteck um.
    „Denko war bei mir“, gestand Serafim.
    „Sie sollen mich nicht schlagen! Du mußt mich verstecken. Hörst du, Serafim, du mußt!“
    „Kein Mensch wird dich schlagen“, beschwichtigte sie Serafim. „Und wenn Denko auch nicht die rechte Art zu einem kleinen Mädchen hat, wie du es bist — geschlagen hat er dich nie. Nein, Rossuschka, mein Täubchen, von ihm droht dir nichts. Und er wird auch nicht zugeben, daß die andern dir etwas tun. Keiner wird es wagen. Denn
    Denko ist noch am Abend für die Lachsfahrt zum Ataman Kotschewoi gewählt worden. Er trägt jetzt wieder die Boulawa und ist so mächtig wie einst.“
    „Was wollte er denn, wenn er mich nicht bei dir verklagte?“ mißtraute sie trotzdem. „Von welchen Heimlichkeiten sprichst du, und wie willst du es machen, daß ich doch in den Himmel komme?“ „Das ist es, meine kleine Schwester: du wirst in den Himmel kommen, wenn du bereuen wirst!“ triumphierte Serafim.
    Doch bei dem ersten Wort von Reue unterbrach ihn Rosska sofort. „Ich möchte ja so gern“, sagte sie, „das kannst du mir glauben, sehr gern möchte ich in den Himmel kommen, schon darum, weil dir soviel daran liegt. Aber wie sollte das zugehen? Ich kann doch nun einmal nicht bereuen!“
    „Du wirst!“ beteuerte der Mönch. „Weil Gott so sichtbar seine Hand über dir hielt, wird er dir auch das gewähren. Ja, er hat es schon getan! Denn jetzt werde ich dir etwas sagen, was dich glücklich machen wird, und dann wirst du bereuen!“
    Rosska machte sehnsüchtige Augen.
    „Sag, was mich glücklich machen wird. Es ist so schön, glücklich zu sein.“
    „Du wirst es sein, Rossuschka; denn denk dir nur..., faß es, meine Rossuschka, was ich dir jetzt sage: Pjotr ist gar nicht tot!“
    Serafims Worte schlugen ein.
    Rosskas Gedanken verwirrten sich, und sie verstummte.
    „Nicht tot...?“ hauchte sie dann aus ihrer großen Verwunderung heraus.
    Also das war es? In Wirklichkeit war Rosska nur erstaunt und keineswegs glücklich. Sie wunderte sich selbst darüber und wartete auf die große Freude, die nun eigentlich hätte kommen müssen. Aber die Freude ... kam nicht.
    Doch auch Serafim hatte einen neuen, jähen Glanz auf ihrem Gesicht erhofft und war nun ebenso enttäuscht wie sie.
    „Pjotr ist nicht tot“, wiederholte er, wie um eine Leere zu füllen, „er wird wieder umhergehen wie immer, nicht morgen, doch bald.“
    Für Rosska war das ein Wunder.
    Sie hatte den krummbeinigen Pjotr mit eigenen Augen liegen sehen, und nun hatte Gott ein Wunder getan, und nichts war geschehen. Aber Rosska fand im Grunde, daß der liebe Gott sich viel zuviel aus dem krummbeinigen Pjotr mache. Sie für ihre Person machte sich nichts aus ihm. Und darum konnte sie auch weder glücklich sein noch bereuen.
    „Nun . ..?“ fragte Serafim voller Erwartung.
    Und jetzt kam Rosska zu einem Entschluß.
    „Ich will den
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