Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Roxelane

Titel: Roxelane
Autoren: Johannes Tralow
Vom Netzwerk:
Was sie hatte, das hatte sie, und etwas wollte sie von ihrem Ausflug haben.
    Um nichts und wieder nichts hatte sie sich nicht gleich nach ihrem Abschied von Serafim noch nachts ans Ufer geschlichen, wo die schwarzen Tschaiken auf Land lagen, hatte nicht ihr Grauen vor den grell bemalten Ankerklüsen überwunden, die im halben Mond wie drohende Drachenaugen starrten, hatte nicht vier Tage in ihrem Versteck an Bord ausgehalten, bis sie schließlich vom Hunger herausgetrieben worden war, um dann alles über sich ergehen zu lassen, was in einem solchen Fall über eine unerwünschte und eigenmächtige Mitfahrerin hereinbrechen mußte. Nur um sich jetzt wieder nach Chortiza abschieben zu lassen, hatte sie das alles nicht getan!
    Sie wollte ja gar nicht nach Chortiza, sie wollte nach Konstantinopel! Als sie daher unter Denkos zurückgelassenen Sachen das Prachtgewand einer Bojarin gefunden hatte, war sie zur Tat geschritten. Das Kleid passe auch ziemlich gut, hatte sie zu sich gemeint, nur hier und da sei es ein bißchen zu lang, ein Übelstand, dem sie dann mit einem ebenfalls gefundenen' Dolch schnell, zackig und gründlich abgeholfen hatte.
    Und nun steckte ihr außer dem Dolch auch noch eine Nagaika im Gürtel, einem Gürtel freilich, der in Verkennung eigentlicher Zwecke aus einem mit Steinen bestickten Diadem bestand.
    Aus solchen Kleinigkeiten machte Rosska sich nichts, und sie konnte auch auf keine Weise begreifen, worüber die Männer bei solcher Prachtentfaltung so albern zu lachen hatten.
    Der Igor allen voran!
    „Heda, ihr!“ rief sie ihm und den andern zu. „Wohl mal’n bißchen verrückt geworden, he?!“
    Kimre hielt sich noch immer den Bauch und konnte nicht sprechen. Hadsko johlte: „Die Rote! Die Rosska! Seht doch die!“
    „Keine Rosska“, stöhnte Kimre, weil er vor Atemnot keuchte, „ein Tatarenmädel, eine Tatarinska!“
    An ein Aufhören war überhaupt nicht zu denken, und Rosska glühte vor Zorn.
    Zeigen wollte sie es diesen, zeigen!
    Dabei kamen ihr die Würfel gelegen. Auf einem Faß lagen sie mit einer Zwei, einer Drei und einer Sechs nach oben. Die Sechs lag in der Mitte.
    „Paßt auf die Sechs auf!“ rief Rosska.
    Und dann schoß durch eine Bewegung ihres Handgelenks vom kurzen Griff ihrer Nagaika die Peitschenschnur so blitzschnell zwei Meter hervor, daß die Sechs in die Luft flog. Gerade mit der Schmitze hatte Rosska die Sechs und nur die Sechs getroffen!
    „Würfeln an Bord ist verboten!“ triumphierte sie dabei.
    Sie hatte auch keine Mühe gescheut, sich dies Kunststück mit der Peitsche anzueignen, und unter den Fliegen von Chortiza, an denen sie es geübt hatte, war auf diese Weise eine erfreuliche Sterblichkeit ausgebrochen.
    Nun aber brachte ihr heimlicher Fleiß sie zu hohen Ehren. Stürmischen Beifall trug er ihr ein, und so war sie auch wieder nicht, daß ihr der Beifall der Männer gleichgültig gewesen wäre.
    Im Gegenteil! Ganz berauscht war sie von ihm.
    „Seht euch lieber nach den Tataren um!“ rief sie daher, und Schnapssaufen soll auch nicht gesund sein!“ schmetterte sie hinterher, wobei sie zugleich dem Igor den ledernen Schnapsbecher aus der Hand feuerte.
    Dem Igor aber war das gar nicht recht. Ganz rot lief er an. Denn nun galt das Gelächter ihm.
    Er hatte seinen Ruf wiederherzustellen; aber wenn er nicht so schnell zugepackt hätte, wäre ihm Rosska doch noch entwischt. Der Igor war jedoch nicht weniger gewandt und dazu noch ein kräftiger Mann.
    Bis jetzt hatte Rosska ihn auch ganz gut leiden können, doch wie er sie jetzt fest an sich preßte und alles Sträuben und Kratzen ihr nichts half - da haßte sie ihn. Wegen seiner körperlichen Überlegenheit haßte sie ihn.
    Dagegen machte sie sich nicht das geringste aus dem Spott der andern. Denn daß sie mit ihren roten Haaren, mit ihren Teufelshaaren also, gar nicht gut anzuschauen sei - davon war sie selbst viel zu gläubig überzeugt, und damit hatte sie sich längst abgefunden.
    Jetzt jedoch erstarrte sie über den Igor, über sich selbst und darüber, daß alle die andern mit ansahen und hörten, was der Igor sagte und tat.
    Eigentlich war zwar alles wie sonst. Dennoch geschah etwas ganz Unerwartetes und beunruhigend Neues, etwas, von dessen Möglichkeit sie nie auch nur eine Ahnung gehabt hatte.
    „Möchte wissen, wo ihr eure Augen habt, Männer“, rief nämlich der Igor. „Seht euch die Rosska doch nur mal genau an!“
    „Dürr wie ’n Stecken! Das Sattelzeug kann man ihr an die Knochen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher