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Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)
Autoren: Joseph Caldwell
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Kapitel 1
     
     
    Aaron McCloud, ein relativ junger amerikanischer Schriftsteller, den bislang weder Anerkennung noch Vermögen aus der Bahn geworfen hatten, war nach Irland gereist, in die Grafschaft Kerry, an den Rand der Westlichen See. Dort wollte er sich dem Weltschmerz hingeben, weil eine unattraktive Frau sich weigerte, ihm in seiner Einbildung zu Willen zu sein, dass er das Objekt ihrer unsterblichen Liebe werden müsste. Dann aber hatte er sich – noch ehe sein Seelenschmerz wirkliche Gestalt annehmen konnte – vermittels der unerklärlichen Dienste eines launischen und exzentrischen Schweins in eine ungemein attraktive Schweinehirtin aus Kerry, Lolly McKeever mit dem rotbraunen Haar, verliebt und sie infolgedessen geheiratet. Daraufhin, um ihn weiter aus seiner amerikanischen Umwelt zu lösen, hatte Lolly, vermutlich durch eine Osmose, die sich aus der uralten Vorstellung herleitete, dass in der Ehe beide Teile zu einem verschmelzen, den Entschluss gefasst, Schriftstellerin zu werden, und es Aaron überlassen, ihre Schweine zu mästen.
    Das hatte er getan und sogar eine gewisse Genugtuung dabei empfunden, denn er gewann die Erkenntnis, dass zwischen Schweinezucht und Romanschreiben weit mehr Gemeinsamkeiten bestanden, als er vermutet hatte: bedingungslose Hingabe, nie erlahmende Selbstdisziplin, ungewisses Endergebnis und schließlich die nicht vorhersehbaren Erfolgsaussichten, wenn es darum ging, das Produkt zu vermarkten.
    Für Aaron, den Schweinezüchter, war dieser Tag gekommen. Und er war zu dem möglicherweise größten Triumph seines Erwerbslebens geworden. Er saß neben seiner angebeteten Ehefrau in dem nun leeren Lastwagen, den sie durch die engen Landstraßen der Grafschaft Kerry lenkte, und wusste nicht, wie er das Glücksgefühl eindämmen sollte, das ihn durchströmte. DerVerkauf der Schweine, die dank seiner Mühen prachtvoll gediehen waren, hatte einen Gewinn erbracht, der selbst die Erwartungen seiner Frau weit überstieg.
    Die beiden Romane, die er im Laufe seiner zweiunddreißig Lebensjahre geschrieben hatte, waren zwar nicht unbemerkt geblieben, hatten aber nicht im Entferntesten die Summe abgeworfen, die der Schlachthof soeben herausgerückt hatte. Ein solches Ergebnis hatte er sich schon immer herbeigesehnt. Ein paar leidlich günstige Buchbesprechungen und ein wenig bekannter Preis waren gut und schön, aber seine Mühen – sei es als Schriftsteller oder als Schweinezüchter – derart extravagant belohnt zu sehen, rief in ihm eine rückschauende Befriedigung hervor, wenn er an all die mit den Schweinen verbrachten Tage und Nächte dachte. Oft genug hatte Fehlschlag gedroht, bei der Stange zu bleiben, war die einzige Belohnung gewesen, und die Aussichten, die der Markt bot, waren steter Quell unerträglicher Befürchtungen.
    Eine just an dem Morgen eingetroffene E-Mail von einer literarischen Agentur in Dublin erhöhte seine Euphorie – eben die Frau hatte sie geschrieben, die Aarons irische Tante Kitty, gleich ihm eine Romanverfasserin, zu Höhen öffentlichen Ruhms geführt hatte, zu einem Gipfel, den Aaron in selbstverblendeten Momenten als nur ihm zukommend gewähnt hatte. Den Gedanken, dass seine Frau so hoch aufsteigen könnte wie seine Tante, hatte er tapfer, wenn auch nicht immer erfolgreich zu unterdrücken versucht. Doch diese Furcht erwies sich, gottlob! als unbegründet. Die Agentin hatte sich zu Aarons Schadenfreude, die ihn selbst beschämte, reichlich unverblümt geäußert.
    »Lolly McKeever«, begann die E-Mail (Lolly hatte das Manuskript unter ihrem Mädchennamen eingereicht, denn mit Kitty McCloud wollte sie nicht verwechselt werden), »ich habe den Roman, den Sie mir freundlicherweise zugesandt haben und der Ihnen auf dem Postwege bald wieder zugehen wird, mit einigem Interesse gelesen. Zweifelsohne ist im letzten Jahrhundert und wahrscheinlich auch in den Jahrhunderten davor nochnie eine derart rückwärtsgewandte Geschichte über Irland und über die Iren von einem Bürger dieses Landes geschrieben worden. Eine Burg, in der es spukt? Was haben Sie sich dabei gedacht? Und die Geister sind tatsächlich vorhanden, wie Sie uns glauben machen wollen. Ihr Erscheinen wird nicht einmal als die Ausgeburt eines fiebergeschüttelten Hirns entschuldigt. Vielleicht werden Sie demnächst über Kobolde und Erdmännlein und über Töpfe voll Gold und Hexen und Seher und im Inneren der Erde verborgene Königreiche schreiben. Verzeihen Sie – oder besser, verzeihen Sie nicht
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