Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Roxelane

Titel: Roxelane
Autoren: Johannes Tralow
Vom Netzwerk:
Fisch, den sie nicht selbst zu fangen brauchten, und die Steppe bedeutete immer ein wenig Krieg.
    Das war das Gewöhnliche, und so war es sonst.
    Jetzt aber hatten die Tataren förmlich Fehde angesagt, und dieses Mal waren über tausend Reiter und insgesamt viertausend Pferde aufgeboten worden.
    Verlieren freilich durfte man sich bei erklärtem Krieg trotzdem weniger als je. Immer mußten die Pferde auf gleicher Höhe mit der Flotte am Ufer entlanggetrieben werden, damit die Männer und Burschen aus den Tschaiken bei einer gefahrdrohenden Meldung sofort an Land setzen und in die hohen Bocksättel der Handpferde springen konnten. Mit viertausend berittenen Kriegern war man dann auch in der Nogaischen Steppe eine Macht. Nur durften die Flotte und die berittene Begleittruppe sich niemals aus den Augen verlieren.
    Gerade das aber war geschehen.
    Eine finstere Nacht und ein dicker Morgennebel, der erst gegen Mittag zerteilt worden war, hatten tausend Reiter und viertausend Pferde spurlos verschluckt.
    Viel konnte geschehen sein, besonders im Nebel, der ebenso jeden Laut erstickte wie jede Sicht. Hinter diesem Vorhang konnten die Tataren ganz unbemerkt die Vermißten erledigt und ihre Pferde fortgetrieben haben. Und als sich nun nach drei Tagen vergeblichen Wartens weder ein Pferdeschwanz noch der allerkleinste Teil eines Kosaken hatte blicken lassen, war Denko Grechnoy vor eine schwere Entscheidung gestellt worden.
    Leicht war es ihm nicht geworden, die Flotte zu verlassen; aber schließlich hatte er geglaubt, den gefährlichsten Teil der vorliegenden Aufgabe selbst übernehmen zu müssen. So hatte er sich denn mit einigen bewährten Pfadfindern aufgemacht, um die Verlorenen wieder herbeizuschaffen oder doch wenigstens Kunde von ihrem Ende zu erlangen.
    Aber er kannte seine jungen Burschen zu gut, um außer von ihrer Rauflust viel von ihnen zu erwarten, und so war er nicht gegangen, ohne vorher strenge Verhaltungsbefehle zu erlassen.
    Darum ankerte denn auch die Flotte, statt auf Land gezogen zu sein, im offenen Gangwasser, was freilich das einzige war, was von Denkos Befehlen beachtet wurde. Im übrigen aber hatte seine Abwesenheit alle Bande wohltätiger Gesetze und Gewohnheiten aufgelöst.
    Wer konnte tapferen Kosaken mitten im Strom wohl etwas anhaben? Wozu also diese lästige Wachsamkeit und Postensteherei, die der alte Griesgram, der Denko, so eingeschärft hatte? Tataren gingen ja nie aufs Wasser - darüber gab es kein Streiten! Nach der Meinung der Jungen war demnach kein Grund vorhanden, sich nicht jedem erreichbaren Vergnügen hinzugeben.
    Augenblicklich aber war es eine Lust, die Rosska brav auszulachen und sich an dem Zorn der kleinen Kröte zu weiden.
    Und zornig war sie denn auch!
    An die lachende Grausamkeit von Kindern war sie gewöhnt, aber ausgewachsene Männer hatte sie bisher grundsätzlich für harmlos gehalten. Man müsse sie nur nicht erst aufkommen und sich wichtig machen lassen, war sie auch jetzt noch überzeugt, denn dann würden sie unerträglich.
    Und nun waren sie unerträglich! Der Kimre, der Hadsko, der Igor und alle die andern. - Nach Rosskas Meinung lag aber nicht der geringste Grund dazu vor.
    Es stimmte wohl, daß bis jetzt auf ihre Kleidung wenig verwendet worden war. Aber weder ihr noch den andern hatte das Kummer bereitet, den Männern an Bord schon gar nicht!
    Nur den Igor hatte sie mal sagen hören, der Denko Grechnoy sei reich genug und brauche sein Mädel nicht so herumlaufen zu lassen.
    Er hatte offenbar nicht daran gedacht, der Igor, daß Denko es vielleicht hören könne. Aber der hatte es gehört! Und gemeint hatte der Ataman, daß bei der Art, wie Rosska an Bord gekommen sei, keine Vorbereitungen zu ihrem Empfang hätten getroffen werden können. Wenn sie jedoch erst glücklich wieder in Chortiza sei, was Gott geben möge, und was er, der Denko, bei Rosskas Gabe, überall dort zu sein, wo sie auf keinen Fall hingehöre, für außergewöhnlich wünschenswert halte, so könne sie Denkos wegen wie eine Tatarenprinzessin von Bagdscheserai ausstaffiert werden - ihm, dem Denko, sei das völlig gleichgültig, denn aus Geld mache er sich längst nichts mehr, und der Igor werde dann wohl künftig seine ungewaschene Schnauze halten. Das alles hatte Rosska nicht zu ihrer reinsten Freude mit anhören müssen.
    Warum sie aber bei der betrübenden Aussicht, wieder nach Chortiza geschleppt zu werden, bis dahin mit ihrem Aufputz warten solle, das war ihr nicht recht verständlich gewesen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher