Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Roxelane

Titel: Roxelane
Autoren: Johannes Tralow
Vom Netzwerk:
mit sich gebracht, daß man ,Vater' zu ihm sagte, obwohl er eigentlich noch ein junger Mann war. Aus dem gleichen Grunde ließ man ihn auch Seelsorge und alles das ausüben, was ein Pope sonst noch bei den Kosaken zu tun hatte, den Waffensegen und - vor einem Raubzug! — das Gebet um fette Beute keineswegs ausgenommen. Und da Vater Serafim das alles mit kindlichem Gemüt versah und weder den Polen noch den Russen, sondern einzig und allein so fernen Gewalten wie Gott und dem ökumenischen Patriarchen in Konstantinopel anhing, so hielt man ihn denn auch in allen Stücken, wie man den anerkannten Geistlichen von Chortiza zu halten hatte.
    Nach seinen Weihen fragte dabei kein Mensch. Es genügte, daß Vater Serafim die Messe las, so hatte er die Weihen.
    An priesterlich Geweihten war überdies so wenig ein Mangel bei den Saporogern, daß man sich aus ihnen schon gar nichts mehr machte. ,Kosaken', Ziegenbauern - so hatte man als erste die Saporoger genannt, und diesen Schimpfnamen, der durch sie zu Ehren gebracht worden war, hatten ihnen die Leute auf der fetten schwarzen Erde im Oberland gegeben, die ukrainischen Großbauern, die es allerdings für eine Schande hielten, neben ihre dummen Kühe auch nur eine einzige Ziege noch in ihren Stall zu stellen.
    Das eine war freilich wahr: die Steppe war arm.
    Aber ebenso wahr auch das andere: sie machte frei!
    Und wem die starren Ordnungen des reichen Nordlandes zu drückend wurden, wer dort nicht Knecht sein wollte, und wem es doch zum Herrn nicht langte - der ging in die Steppe und wurde Kosak.
    Viele brachten so die Stromschnellen hinter sich und löschten damit ihre Vergangenheit aus.
    Denn bei den Grenzern galt nur die Gegenwart.
    Leibeigene und Edelleute handelten so, aber auch Bürger und Geistliche. Und so hatte denn auch schon mancher entlaufene Mönch versucht, mit Vater Serafim auf Chortiza in Wettbewerb zu treten.
    Aber noch war jedem bedeutet worden, daß er sich als Mann und tapferer Kämpfer zu bewähren oder sonst sich zum Teufel zu scheren habe. Seine Weihen und Gelübde, auch das Mönchsgelübde der Ehelosigkeit, sehe man ihm dagegen gern nach, in allem übrigen könne er tun, worauf er Lust habe, auch ein Weib könne er sich nehmen, wenn er sich eins erkriege - nur das Gottesamt nicht, das könne er nicht nehmen und nicht bekommen, das sei ausschließlich Vater Serafim Vorbehalten.
    Dieser gelobte Mann öffnete nun einem längst erwarteten Gast seine Tür.
    Die dunklen Haare, die ihm nach Art der griechischen Mönche Ungeflochten und frei auf die Schultern fielen, flatterten im Luftzug. Mit der langfingrigen Linken schützte er das Licht in seiner Rechten, und ein heller Schein beglänzte auf diese Weise sein schmales dünnbebartetes Gesicht.
    Spannung und Sorge lagen auf dem Gesicht und in der vornüber gebeugten Haltung der schlanken Gestalt, die ein faltenreiches schwarzes Gewand bis auf die Füße verhüllte.
    Doch nun löste sich die Spannung. Die großen braunen Augen leuchteten auf, und mit einer Bewegung von großer Anmut forderte er zum Eintreten auf. Der erwartete Gast war gekommen.
    Rosska stand mit ihrer Katze auf der Türschwelle.
    Es war die einzige Schwelle in Chortiza, auf der sie den Umständen nach stehen konnte, und das hatte der alte Denko Grechnoy auch bedacht, als er vor Stunden bereits zu Serafim gekommen war, um lange bei ihm zu verweilen.
    Jetzt aber lächelte Vater Serafim.
    Es war ein Lächeln der Befreiung, doch zugleich auch eins der Heiterkeit, und es kam ihm aus der Tiefe.
    In diesem Fall lächelte der Vater über Rosskas Röckchen.
    Es war noch kürzer geworden. Sogar sehr kurz war es geworden. Denn sein größter Teil hatte herhalten müssen, um des Kätzchens Wunden zu waschen und in dicken Polstern die Heilkräuter darauf festzuhalten, was aber alles nur hatte geschehen können, weil das Tierchen zu schwach gewesen war, um sich gesund zu lecken, wie es das sonst wohl getan hätte.
    Serafim jedoch mußte mit einemmal daran denken, was er dem Denko auf dessen Selbstanklage bedeutet hatte.
    „Bruder“, hatte Serafim gesagt, „es handelt sich nicht um das Gewand, das du ihr reichst — das kannst du bessern es handelt sich um ihre unsterbliche Seele! “
    Ja, darum handelte es sich, und so wurde Serafim wieder ernst.
    Er wußte, daß ihm Schweres bevorstand.
    Als er mit Rosska dann den einzigen vom Herd abgesonderten Raum seines Hauses, den Betraum, betrat, errötete er über eine Nachlässigkeit.
    Ein Schimmern drang aus
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher