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Der letzte Vorhang

Der letzte Vorhang

Titel: Der letzte Vorhang
Autoren: Annette Meyers
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1.
Kapitel
     
    Die Schießerei begann, als Wetzon den Schlüssel
im Schloß umdrehte. Zwei Schüsse, einer, dann noch einer. Sie stieß die Tür mit
dem Knie auf.
    »Major Strasser ist tot.«
    Die zwei wichtigsten Menschen in Wetzons Leben
lagen im Halbdunkel auf dem Boden ihres Wohnzimmers. Sogar der Hund Izz, wie
ein kleiner weißer Vorleger auf Silvestris Brust drapiert, wirkte wie
hypnotisiert, während der Film sich dem Ende näherte.
    Dann sagten Silvestri, Carlos und Rick, der Mann
im Film, einstimmig: »Louis, ich glaube, dies ist der Beginn einer wunderbaren
Freundschaft.«
    Während Bogart und Claude Raines auf dem
Bildschirm in die Nacht hinausgingen, langte Wetzon hinter sich um den
Türrahmen, legte den Finger auf die Türklingel und drückte fest.
    »Hu!« hörte sie Carlos sagen, und Izz begann zu
bellen. Silvestri setzte sich auf und starrte sie an.
    »Ich bin’s bloß, Gentlemen, von einem langen,
grausamen Tag auf dem Markt zurück. Bleibt doch sitzen.« Wetzon stellte die
Aktentasche auf den Boden und hängte den Mantel auf. Es war ein einigermaßen
erfolgreicher, aber scheußlich langer Tag gewesen. Sie war rechtzeitig zu einem
Frühstück um halb acht im Warwick in Philadelphia angekommen, hatte den Broker
abgefertigt und um halb neun mit einem anderen Broker gefrühstückt. Dann um
zehn in einer Schlichtungsverhandlung ausgesagt. Lunch um zwölf, ein weiteres
Essen um eins, ein drittes um zwei, Drinks um vier und fünf, dann schnell zum
Zug nach New York gerannt, während das ganze Sprudelzeug in ihr hin und her
schwappte.
    Also war es nicht der Hunger, was sie in die
Küche führte, sondern eher der flüchtige Anblick einer Zabar’s-Tasche auf der
Theke, aus deren Inhalt das Abendessen für Carlos und sie bestehen würde. Sie
arbeiteten an den Arrangements für Combinations in concert, eine nur für
zwei Aufführungen geplante Wiederaufnahme des legendären Musicals, deren Erlös
der Aidsgruppe Show Biz Shares zugute kommen sollte. Schnuppernd packte sie
schottischen Lachs, geräucherten Weißfisch und Karpfen, schwarze Oliven, Crème
fraîche, Ba-gels und ein kleines Rad Ziegenkäse aus. Den großen Behälter mit
Garnelencremesuppe entleerte sie in einen Kochtopf. Der Duft war himmlisch.
    Als sie aus der Küche kam, war das Licht an, der
Fernseher ausgeschaltet, und Carlos und Silvestri saßen einfältig grinsend da.
    »Häschen, Liebes.« Carlos krempelte die Ärmel
seines schwarzen Seidenhemdes hoch. »Du hast mir nie verraten, daß Silvestri
ein Filmfan ist.«
    »Wirklich? Es wird mir wohl entfallen sein, da
ich jeden ‘ Tag mit meiner verrückten Partnerin schufte, die entschlossen ist,
lieber Broadway-Shows zu produzieren, als Headhunterin auf der Wall Street zu
spielen.«
    »Bestimmt nicht lange.« Silvestri hatte seine
Fassung wiedergewonnen. Er ließ selten seine empfindsame Seite sehen, nicht
einmal bei ihr.
    Carlos stimmte zu. »Wenn diese Barrakuda-Dame
merkt, daß es weder glanzvoll noch lukrativ ist, wird sie sich sofort wieder um
die Wall Street kümmern, wo sie hingehört.«
    Silvestri kam langsam auf sie zu, und nun schob
er seine Hände unter ihre blaue Nadelstreifenjacke und zog sie an sich. »Mmmm,
du riechst gut.«
    »Vitriolextrakt«, bemerkte Carlos. Seine Stimme
verlor sich in der Küche.
    »Moi?« kicherte Wetzon. »Non-non-non.« Ihr Versuch im Französischen ging in
Silvestris Lambswoolpullover, türkis wie seine Augen, unter.
    Er küßte sie auf die Wangen und jedes Augenlid.
»Ich bin schon unterwegs«, sagte er, während er seine dicke Marinejacke um die
Schultern legte. »Und ich nehme Izz mit.« Er hob den zappelnden Malteser hoch,
dessen rosa Zunge über die Kerbe in Silvestris Kinn sabberte.
    »Sie wird allmählich zum Stammgast. Du müßtest
ihr eigentlich einen Anteil vom Gewinn abtreten.«
    Silvestri hatte sich angewöhnt, Izz zu seinem
wöchentlichen Pokerspiel — freier Abend für die Jungs - mitzunehmen, das immer
in seiner Wohnung in Chelsea stattfand. Die Tradition hatte ihren Anfang
genommen, als er merkte, daß der kleine Hund die anderen Spieler gerade
genügend ablenkte, um ihm einen Vorteil zu verschaffen.
    Obwohl er den größten Teil seiner Zeit bei
Wetzon wohnte, hielt Silvestri an seiner Wohnung in Chelsea fest, als wäre sie
ein Beutestück. Sie würde der Mietpreisbindung unterliegen, erklärte er. Wo
könnte er heutzutage in der Stadt etwas Vergleichbares finden?
    Wer sagt denn, daß du etwas finden mußt, lag Wetzon immer auf der
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