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Der letzte Vorhang

Der letzte Vorhang

Titel: Der letzte Vorhang
Autoren: Annette Meyers
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davon hältst.«
    »Carlos, stell dich nicht so an. Es ist ganz
einfach.«
    »Liebes, wenn man’s kann, ist’s einfach.
Außerdem dachte ich, von jedem an der Wall Street wird verlangt, daß er
kreative Buchhaltung beherrscht.«
     
    Silvestri hatte gesagt, Walker’s an der Ecke
North Moore und Varick, und sie hatte Ahmed die Adresse genannt, der ein wenig
zu schnell »Ja, Lady« erwidert hatte, was ihre Antennen vibrieren ließ.
    »Wissen Sie, wo das ist? Es ist Richtung Süden.«
    Auf der East 49. Street bildete sich hinter
ihnen ein Stau, und Hupen stimmten eine mißtönende Melodie an.
    »Ja, Lady«, wiederholte Ahmed. »Steigen Sie ein,
schnell, sonst verschaffen Sie mir noch einen Strafzettel.«
    Wetzon stieg ein, und Ahmed fuhr mit einem
Blitzstart los. Tempo für ein Peitschenschlagsyndrom. Klar, probiere es und
kassiere. Außer seiner vorläufigen Taxifahrerzulassung, die dreist so
angebracht war, daß ein Fahrgast sie erst sehen konnte, wenn er bereits im Taxi
saß, verriet ihr noch etwas anderes, daß Ahmed keine Ahnung hatte, wohin er
fuhr. Spätestens wußte sie es an dem Punkt, als er Richtung Norden abbog.
    »Nach Süden«, sagte sie durch zusammengebissene
Zähne.
    »Ich weiß, Lady, ich weiß. Ich will bloß eine
Baustelle umgehen.«
    Vielleicht gab es eine Baustelle, vielleicht
nicht. Schließlich befand man sich in New York. Mach es dir bequem und
entspanne dich, sagte sie sich. Sie tat es widerwillig und schloß die Augen.
Ahmed konnte recht haben.
    Es lag einfach daran, daß sie wegen dieser
Begegnung nervös war. Sie wollte auf Rita Silvestri, seine Mutter, einen guten
Eindruck machen. Mann, sie wollte einen sensationellen Eindruck auf sie
machen.
    Denk an was anderes. Ja, aber woran? An Tom
Keegen, der auf ihre neue Mitarbeiterin schoß? Sie konnte es nicht einmal in
Erwägung ziehen, ohne zu grinsen. Es war ein Witz. Würde er wirklich so dumm
reagieren? Tatsächlich sah es so aus, als wäre der Pelzhut von einem
Streifschuß beschädigt worden — aber wer konnte sagen, daß es wirklich so war?
    Und wie stand es um Darlene Ford? Falls sie
wirklich eine phantastische Headhunterin war, spielte es dann eine Rolle, ob
sie wie ein Flüchtling aus einer Kleinstadt aussah, wo man bei der Kleidung
immer ein wenig zuviel des Guten tat und die Frauen Sweatshirts mit Pailletten
trugen? Und Wetzon hatte Carlos einen Snob genannt!
    Überlege dir folgendes: Darlene war eine
Goldgrube, wenn man Smith glauben konnte. Sie hatten jahrelang davon
gesprochen, ihren Büroraum zu erweitern. Dann, während des Einbruchs der
Immobilienpreise, hatte man ihnen das Sandsteinhaus in der 49. Street nahe der
Second Avenue, wo sie ihr Büro hatten, für ein Butterbrot angeboten. Und obwohl
alle Wohnungen auf den vier Etagen über ihnen vermietet waren, spielten sie
immer wieder mit dem Gedanken, eines Tages ihr Erdgeschoß mit dem ersten Stock
zu verbinden und es zu einem Büro auf zwei Etagen zu bringen.
    Ihr Mieter im ersten Stock, ein Antiquar, hatte
ihnen gerade gekündigt, um in eine größere Wohnung in der Second Avenue
umzuziehen. Wenn Darlene wirklich so gut war, wie es Smith anscheinend glaubte,
konnte ein erstklassiges Jahr vor Smith und Wetzon liegen. Und falls es so
käme, würden sie vielleicht in Zukunft ein doppelstöckiges Büro besitzen.
    Das Taxi kam mit quietschenden Reifen zum
Stehen. Sie schlug die Augen auf und hatte keinen Schimmer, wo sie waren. Ihr
Fahrer... wo war der? Ahmed stand mitten auf der Straße und winkte ein anderes
Taxi zu sich. Sie sah auf die Uhr — halb eins. Sofort kurbelte sie das Fenster
herunter und schrie: »Verdammt, Ahmed, was bilden Sie sich eigentlich ein?«
Wütend stieg sie aus.
    »Bleiben Sie, Lady. In zwei Minuten setze ich
Sie dort ab.«
    »Vergessen Sie’s.« Sie steckte einen
Fünf-Dollar-Schein unter seinen Koran auf dem Vordersitz und marschierte los.
Glücklicherweise hatte sie einen Orientierungspunkt erkannt: Direkt hinter ihr
lag der Friedhof der Trinity Church.
    Den Rest des Wegs zum Restaurant legte sie zu
Fuß zurück, wobei sie sich nur einmal zwischendurch nach der Richtung
erkundigen mußte — bei einer Frau mit breitem Hinterteil in der grauen Hose des
US-Postdienstes, die einen großen Postsack auf einem dreirädrigen Karren schob.
    Als sie die Tür zum Walker’s aufstieß, hatte sie
nur zehn Minuten Verspätung. Sie befand sich in einem Salon des späten 19.
Jahrhunderts — Bar aus Holz, geätztes Glas undsoweiter. Perfekt. Aber es war
voll.
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