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Die Schwarze Festung

Die Schwarze Festung

Titel: Die Schwarze Festung
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Prolog
    Das Geschöpf ähnelte einer über zwei Meter großen aufrecht gehenden Ameise. Aber es war keine Ameise. Es glich ihnen allerhöchstens in dem Maße, in dem einem Außerirdischen ein Mensch und ein Angehöriger einer x-beliebigen Primatenklasse gleich vorgekommen wären: Es hatte einen in der Mitte unterteilten Körper mit einem Exoskelett aus stahlhartem Chitin, einen flachen dreieckigen Schädel mit einem winzigen Insektenmaul, bewehrt mit fingerlangen Mandibeln und sechs Glieder. Aber seine Extremitäten waren schlanker als die einer irdischen Ameise, die beiden oberen Beinpaare endeten in kräftigen, trotzdem aber sehr geschickten vierfingrigen Händen, die mit der gleichen Mühelosigkeit, mit der sie einen komplizierten chirurgischen Eingriff vornahmen, auch Panzerplatten zerreißen konnten, und in den kinderfaustgroßen rubinrot schimmernden Facettenaugen glomm eine beunruhigende Intelligenz. Das Geschöpf hatte einen Namen, aber der war ebenso bedeutungslos wie für menschliche Zungen unaussprechlich. Es hatte ihn bekommen, um sich bei Kontakten mit den Ureinwohnern dieser Welt von seinen Brüdern unterscheiden zu können, denn die schwachen, verwundbaren Geschöpfe, die diesen Planeten bevölkerten, waren Wesen, die Wert auf so überflüssige Dinge wie Namen, Individualität und Gewohnheiten legten. Es würde diesen Namen wieder ablegen und im gleichen Moment vergessen, in dem es diese Welt verließ. Es wußte jetzt, daß dies bald geschehen mußte. Die Vorzeichen waren deutlich gewesen. Aber was sie alle überrascht hatte, das war die Schnelligkeit, mit der es geschah. Nie war ein Sprung so früh erfolgt und niemals so rasch. Einen Moment lang dachte es darüber nach, ob es ihnen wohl gelingen würde, alle Besatzungstruppen von dieser Welt zu evakuieren, verschwendete aber nicht sehr viel Energie auf diese Frage. Solche Überlegungen waren müßig und daher uneffektiv. Der große Transmitter am Nordpol war seit mehr als einem Planetentag von Empfang auf Senden geschaltet, und ein ununterbrochener Strom von Arbeitern, Kriegern und Material verließ diese Welt, um auf anderen Planeten andere Aufgaben zu übernehmen. Es würde bis zum letzten Moment arbeiten, aber wahrscheinlich würde die Zeit nicht ausreichen. Nicht einmal, um einen nennenswerten Prozentsatz der Besatzungstruppen in Sicherheit zu bringen. Der Inspektor verspürte ein leichtes Bedauern bei dem Gedanken an die bevorstehende Vernichtung dieser Welt. Aber es war ein Bedauern, das einzig der ungeheuren Verschwendung von Material und Kriegern galt, nicht dem sinnlosen Tod der Milliarden und Abermilliarden Geschöpfe, die diesen Planeten bevölkerten. Auf dem Instrumentenpult vor dem Inspektor begann eine gelbe Lampe zu blinken. Die rechte untere Hand des Insektengeschöpfes berührte eine Taste, und in dem für menschliche Augen völlig unverständlichen Durcheinander von Geräten und Instrumenten begannen grüne Leuchtbuchstaben in der kryptischen Schrift der Moroni über einen Monitor zu flimmern. Der Inspektor verfolgte die Computerauswertung der letzten Geschehnisse mit der hundertprozentigen Aufmerksamkeit, mit der er jede ihm übertragene Arbeit erfüllte, und korrigierte seine Schätzung, was die Gnadenfrist dieses Planeten anging, wieder einmal nach unten. Wäre er dazu in der Lage gewesen, hätte er Überraschung oder Entsetzen empfunden. Was auf dieser Welt geschah, war eine neue Erfahrung; nicht nur für ihn, sondern für sein ganzes Volk. Er hatte von Sprüngen gehört, die sich innerhalb weniger Jahre vollzogen – aber niemals von solchen, die nur Wochen brauchten. Möglicherweise aber auch nur Tage. Die Geschwindigkeit, mit der die Seuche um sich griff, wuchs immer schneller. Er berührte eine zweite Taste, und die Ergebnisse seiner Computerauswertung wurden an den Hauptrechner der Schwarzen Festung am Nordpol übertragen. Zeit verging, ohne daß der Inspektor ihr Verstreichen wirklich registrierte. Obwohl aus Fleisch und Knochen und Blut erschaffen und mit einem denkenden Gehirn, das ein für menschliche Begriffe völlig unverständliches und fremdes Bewußtsein hatte, war er doch zugleich wenig mehr als eine Maschine; ein lebender Chip in einem gigantischen lebenden Computersystem, das die Hälfte der Galaxis umspannte und in seiner Gesamtheit hundertmal mächtiger war als die Summe seiner Einzelteile. Nach einer Weile begann das gelbe Licht auf dem Pult vor ihm abermals zu flackern. Er berührte eine Taste auf
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