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Der letzte Vorhang

Der letzte Vorhang

Titel: Der letzte Vorhang
Autoren: Annette Meyers
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letzten Vorstellung dabei. Leute, warum verratet ihr mir nicht, aus welchem
Grund ich hier bin? Was ist ein Gerichtsanthropologe?«
    »Wenn es kein Gesicht und keine Fingerabdrücke
gibt, kommt man zu mir«, erklärte Nina. »Meine Aufgabe ist es, nicht erkennbare
— also nicht mit den üblichen Methoden zu bestimmende — menschliche Überreste
zu identifizieren.«
    »Nina ist Beraterin des Leichenbeschauers der Stadt
New York«, ergänzte Silvestri.
    »Das hört sich ja sehr interessant an.« Und es
war interessant. Vielleicht sah Nina Wayne für sie schon ein wenig anders aus.
Vielleicht deshalb, weil auch sie eine Frau in einer Männerwelt war?
    Der Tisch wurde abgeräumt, und sie bestellten
Kaffee: zwei normale und einen koffeinfreien für die Ex-Tänzerin, die auch ohne
Koffein reichlich nervös war.
    »Les, ich habe dich gebeten, mit uns zu Mittag
zu essen, weil ich mit Nina an einem Fall arbeite und dachte, es gäbe eine kleine
Chance, daß du uns helfen könntest.«
    »Du wünschst meine Hilfe?« Mehr brauchte sie nicht zu sagen. Dies war immer ein
Zankapfel zwischen ihnen gewesen; Silvestri warf ihr ständig vor, sich in
Polizeiangelegenheiten einzumischen, und nun bat er sie um Hilfe. Wirklich ein
Tag, den sie im Kalender rot anstreichen mußte.
    Nina Wayne meinte: »Natürlich ist es ziemlich
unwahrscheinlich, aber ich schließe Zufälle nie aus, schon gar nicht in dieser
Stadt.« Sie hielt inne, während der Kellner die Kaffeetassen hinstellte und
ihre Wassergläser aufdeckte.
    Wetzon fühlte sich plötzlich verwirrt. »Wovon um
Himmels willen sprecht ihr beide?«
    Mit einem Griff unter den Tisch holte Nina eine
hellbraune Lederaktentasche vor und nahm einen braunen A4-Umschlag heraus. Dann
stellte sie die Aktentasche wieder auf den Boden.
    »Les, ich habe dir doch von dem Skelett im
Schrankkoffer erzählt, weißt du noch?« fragte Silvestri.
    »In dem Keller des Wohnhauses im Village?«
    »Genau. In der Eleventh Street.«
    »Aha, die Eleventh. Du hast mir nie gesagt, wo.«
    »Es stand in den Zeitungen«, bemerkte Nina.
    Wetzon lächelte. »Die Times und das Journal brachten es nicht als Aufmacher.«
    »Wir können sie nicht identifizieren«, fuhr Nina
fort.
    »Sie?« Sie beobachtete Ninas Finger an der
Lasche des Umschlags und verspürte eine seltsame, unbestimmbare Beklommenheit.
    »Ja. Eine Frau. Tot seit ungefähr fünfzehn bis
achtzehn Jahren.« Nina zog ein paar Schwarzweißfotos aus dem Umschlag. »Rücken
Sie Ihren Stuhl herüber, Leslie, und ich zeige Ihnen, warum wir Sie hergebeten
haben.«
    Knochen, dachte Wetzon, während sie ihren Stuhl
näherschob. Es waren Fotografien von Knochen.
    Mit ihren stumpfen Fingern deutete Nina auf
mehrere Bereiche an dem Skelett. »Abnutzungsfacetten an den Zehen«, sagte sie.
    »Abnutzungsfacetten«, wiederholte Wetzon.
Richtig.
    »Eine große subchondrale Zyste an der oberen
Partie des Acetabulums.«
    Wetzon nickte, während sie auf die Fotografien
starrte. Klar.
    »Das Becken — die Hüftknochen«, fuhr Nina fort, ganz
auf die Fotografien konzentriert. »Nekrose im Acetabulum.«
    Wetzon warf Silvestri einen flehenden Blick zu.
»Bitte sag es mir in Worten, die ein Laie versteht.«
    Doch es war Nina, die antwortete. »Die
Abnutzungsfacetten an den Zehen rühren von Überdehnung her, die wir auch an den
Knochen mittelalterlicher Mönche finden. Diese Frau war jedoch offensichtlich
kein mittelalterlicher Mönch, der seine Zehen beim ständigen Niederknien
strapazierte. Die Verbindung dieser besonderen Beckenzyste und die Abnutzungsfacetten
an den Zehen weisen darauf hin, daß es sich hier um die Knochen einer Tänzerin
handelt.«

MEMORANDUM
    An: Joey Greenway
    Von: Nancy Stein, Assistentin von Mort Hornberg
    Datum: 15. November 1994
    Betr.: Requisiten, Combinations in concert
    Kopien: Carlos Prince und Leslie Wetzon
     
    Unten aufgelistet sind die Requisiten, an die
sich Mort von der Originaltruppe her erinnert. Ich habe das Regiebuch
durchgesehen und nichts entdeckt, was er vergessen hätte.
    10 Paar Pompons
    10 Zylinder
    10 rote Fliegen
    10 rosa Neonstöcke
    1 kleine Trommel an einem rot-weiß-blauen Band
    2 Trommelstöcke
    2 Paar Handbecken
    3 Pfeifen an Schnüren
    3 Rasseln
    1 kleines Akkordeon
    1 Musikzugtaktstock
    10 kleine amerikanische Flaggen an Stöckchen
    1 Baßgeige auf fahrbarem Untersatz
    1 Hochzeitskuchen
     
     

5. Kapitel
     
    »Nancy, ich glaube, die ursprünglichen
Spazierstöcke waren aus schwarzem Bambus.«
    »Ich weiß, Leslie, aber
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