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Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)

Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)

Titel: Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
Autoren: Cody Mcfadyen
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KAPITEL 1
    Ich träume vom Angesicht des Todes. Es ist ein Gesicht, das sich ständig verändert und das irgendwann jeder tragen wird, das viele aber zur falschen Zeit tragen. Ich habe in dieses Gesicht geblickt, immer wieder.
    Das ist dein Job, Idiotin.
    Sagt eine Stimme in meinem Traum.
    Die Stimme hat recht. Ich bin Agentin beim FBI Los Angeles und verantwortlich für die Jagd auf den Abschaum des Abschaums. Kindesmörder, Serienkiller, Männer (und manchmal Frauen) ohne jedes Gewissen, ohne Skrupel, ohne Erbarmen. Das ist seit mehr als einem Jahrzehnt mein Job, und wenn ich den Tod auch noch nicht in all seinen Verkleidungen gesehen habe, so doch in den meisten. Der Tod ist stets gegenwärtig, und er ist gefräßig. Er frisst die Seele auf.
    Heute Nacht ändert sich das Gesicht des Todes wie ein Stroboskoplicht im Nebel, wandert umher zwischen drei Menschen, die ich einst gekannt habe. Ehemann, Tochter und Freundin. Matt, Alexa und Annie.
    Tot, tot und tot.
    Ich finde mich vor einem Spiegel ohne Spiegelbild. Der Spiegel lacht mich aus. Er iaht wie ein Esel, muht wie eine Kuh. Ich schlage mit der Faust zu, und der Spiegel zerspringt. Ein roter Fleck erblüht auf meiner Wange wie eine Rose. Der Fleck ist wunderbar, ich kann ihn fühlen.
    Mein Spiegelbild erscheint in den Scherben.
    Die Stimme meldet sich wieder: Auch zerbrochene Dinge spiegeln das Licht.
    Ich erwache aus meinem Traum, indem ich die Augen aufschlage. Es ist eigenartig – vom tiefsten Schlaf in helles Wachsein binnen eines Wimpernschlags.
    Wenigstens erwache ich nicht mehr schreiend.
    Ich drehe mich auf die Seite, um Bonnie anzuschauen. Ich bewege mich ganz vorsichtig, damit das Bett nicht knarzt. Ich sehe, dass Bonnie bereits wach ist und mir in die Augen starrt.
    »Hab ich dich geweckt, Schatz?«, frage ich.
    Sie schüttelt den Kopf. Nein.
    Es ist spät, und es ist einer dieser Augenblicke, wo der Schlaf noch lockt. Wenn Bonnie und ich es zulassen, zieht er uns wieder hinunter in sein Reich. Ich breite die Arme aus, und meine Adoptivtochter kuschelt sich hinein. Ich halte sie fest, aber nicht zu fest. Ich rieche den Duft ihres Haares, und die Dunkelheit umfängt uns wie das Flüstern des Windes.

    Als ich erwache, fühle ich mich großartig und so ausgeruht wie lange nicht mehr. Ich fühle mich im Gleichgewicht, friedlich. Es gibt nichts, worüber ich mir Sorgen machen müsste – und das ist eigenartig, denn Sorgen sind mein Phantomgliedmaß. Es ist, als wäre ich in einer Blase, oder im Mutterleib. Ich lasse mich treiben, eine Zeit lang wenigstens, und lausche auf mein eigenes weißes Rauschen.
    Es ist Samstagmorgen, nicht nur vom Wochentag her, sondern als Seinszustand. Ich schaue dorthin, wo Bonnie sein sollte, und entdecke nur zerknitterte Laken. Ich spitze die Ohren, höre Bonnies leises Tappen: zehn Jahre alte Füße, die sich durchs Haus bewegen. Eine zehnjährige Tochter zu haben kann sich anfühlen, als würde man mit einer Fee zusammenleben. Magisch.
    Ich recke mich, und es fühlt sich großartig an, katzenhaft. Nur eine Sache fehlt, um diesen Morgen perfekt zu machen.Während dieser Gedanke mir noch durch den Kopf geht, kitzelt es in meiner Nase.
    Kaffee.
    Ich schwinge mich aus dem Bett und steige die Treppe hinunter zur Küche, in meinem alten T-Shirt, einem meiner »Großmutter-Schlüpfer«, wie ich sie nenne, und albernen Plüschpantoffeln, die wie kleine Elefanten aussehen. Mein Haar ist wirr, als käme ich geradewegs aus einem Hurrikan. Nichts von alledem spielt eine Rolle, weil Samstag ist, denn da ist außer uns Mädchen niemand im Haus.
    Bonnie empfängt mich am Fuß der Treppe mit einem Becher heißen Kaffees.
    »Danke, Zwerg.« Ich trinke einen Schluck. »Hmmm, lecker.« Der Kaffee ist perfekt.
    Ich setze mich an den Küchentisch. Bonnie trinkt ein Glas Milch, und wir sehen uns an. Es ist ein sehr behagliches Schweigen. Ich lächle Bonnie an.
    »Ein super Morgen, nicht?«
    Sie lächelt zurück, und dieses Lächeln raubt mir einmal mehr das Herz. Sie nickt.
    Bonnie spricht nicht. Ihre Stummheit ist kein körperlicher Defekt, sondern rührt daher, dass ihre Mutter ermordet wurde, wobei Bonnie zuschauen musste. Anschließend hat der Killer sie Gesicht zu Gesicht an den Leichnam ihrer Mutter gefesselt. Drei Tage hat Bonnie so gelegen. Seither hat sie kein Wort mehr gesprochen.
    Annie, Bonnies Mutter, war meine beste Freundin. Der Killer hatte sie zerfleischt, um mir weh zu tun. Manchmal ist mir bewusst, dass Annie sterben musste,
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