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Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz
Autoren: Veit Heinichen
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sobald Laurenti im Taxi saß und Omar seine Geschichte erzählte.
    »Ich war auf einen Sprung bei Walter in der ›Malabar‹«, log Laurenti. Er war völlig durchnäßt. »Darf ich vielleicht eintreten?«
    »Den ganzen Nachmittag?« fragte Laura.
    »Ja, den ganzen Nachmittag.«
    »Und Galvanos Hund? Warum hast du ihn wieder mitgebracht?«
    »Er hat Durst, wie ich. Und Galvano hat zu tun. Er holt ihn morgen ab.«
    Sie nahm Laurenti die Blumen ab und legte sie auf den Tisch. Dann zog Laura eine Jacke über und griff nach ihrer Handtasche. »Ich fahr dich zurück ins Krankenhaus.«
    »Einen Teufel wirst du tun. Ich bleib hier. Mindestens vier Wochen. Vielleicht schreiben sie mich auch länger krank.« Er ging in den Salon hinüber und ließ sich behutsam in den Sessel fallen. »Wir sollten überlegen, wohin wir in die Ferien fahren.«
    Laura brach in Gelächter aus. »Du spinnst, Laurenti«, sagte sie schließlich.
    »Der Hund hat Durst und ich auch, bitte, Laura. Und ich muß über einiges nachdenken.« Er schaute seiner Frau nach, die wußte, daß es vergebens war, ihn zur Vernunft zu bringen. Er stützte das Kinn auf die Hände und versuchte, noch einmal das Finale an sich vorbeiziehen zu lassen. Er konnte sich keinen Vorwurf machen, er hatte richtig gehandelt.
    Viktor Drakič war der dritte Tote, den Laurenti in seiner fast dreißigjährigen Laufbahn zu verantworten hatte. Er, der meist nicht einmal wußte, wo sich seine Dienstwaffe befand, hatte sie heute nachmittag zum erstenmal wieder gebraucht, seit er vor Monaten sein Pflichtprogramm auf dem Schießstand absolviert hatte. Doch dieses Mal belastete es ihn kaum. Ganz im Gegenteil, er fühlte sich befreit, ein Alptraum war von ihm abgefallen. Sechs lange Jahre und durch die vier wichtigsten Fälle dieser Zeit war dieser Kriminelle zu Laurentis Schatten geworden, den er endlich abgestoßen hatte. Und an das Gesicht der falschen Konsulin, als sie ihn erkannte, erinnerte er sich mit Genugtuung. Natürlich würde ein Verfahren gegen ihn eröffnet werden, wie es die Richtlinien vorschrieben, wenn es Tote gab. Und er mußte einen Weg finden, um der kleinen Inspektorin aus der Patsche zu helfen. Laurenti griff zum Telefon, Marietta meldete sich sofort.
    *
    Der Questore hatte ein Problem. Es war unmöglich gewesen, Laurenti telefonisch zu erreichen. Dessen Frau hatte den Chef jedesmal mit dem Hinweis abgewimmelt, daß der Commissario vor Schmerzen nicht sprechen könnte. Mürrisch hatte er sich schließlich in den Fond seines Dienstwagens gesetzt und sich zur Küste hinausfahren lassen. Er schwitzte, als er die Treppe zu dem Haus der Laurentis hinabstieg. Gelächter schlug ihm entgegen, als auf sein wildes Klingeln geöffnet wurde.
    »Ich muß mit ihm sprechen«, sagte der Questore lediglich und wartete nicht ab, ob Laura ihn hereinbat.
    »Dein Chef«, rief sie hinter ihm her.
    Auf der Terrasse über dem Meer traf er auf eine ausgelassene Runde, deren Gespräch schlagartig verstummte, als der Questore durch die Tür trat. Weinflaschen und Crostini mit angerührtem Baccalà standen auf dem Tisch.
    »Damit habe ich gerechnet«, sagte Laurenti, der eine Zigarette aus Mariettas Päckchen zog und sie ansteckte, bevor er mit einer schmerzverzerrten Grimasse und ohne sich zu erheben dem Questore die Hand reichte. »Es ist schön, wenn man weiß, daß sich auch die Vorgesetzten Sorgen machen. Dann ist das Leiden nur halb so schlimm.« Er zeigte auf einen freien Stuhl neben Galvano.
    Zögernd setzte sich der Mann und fixierte jeden einzelnen. Sgubin lächelte überlegen, sein oberster Chef war dieser Mann schließlich nicht. Die kleine Inspektorin saß lauernd da und hielt mühelos seinem Blick stand, sie spielte mit ihrem Erbsenbizeps. Und der alte Gerichtsmediziner klopfte ihm zur Begrüßung respektlos auf die Schulter und nannte ihn »Altes Haus«. Mariettas Bluse war einen Knopf zu weit aufgeknöpft und zeigte die Spitzen ihres BHs. Im Gegensatz zu Sgubin versuchte der Questore, nicht auf ihre nackten Schenkel zu starren. Und Laurenti nahm er die Leidensmiene nun wirklich nicht ab.
    Galvano schenkte auch dem Questore Wein nach, obwohl der nur einmal am Glas nippte, dessen Pegel ständig stieg.
    »Es ist mir durchaus ernst, Laurenti. Auch wenn man Sie krankgeschrieben hat, Sie bleiben trotzdem Polizist. Vereidigt auf Vaterland und Verfassung und zur Einhaltung der Gesetze. Und solange Sie reden können, sind Sie dazu verpflichtet, zur Aufklärung des Sachverhalts
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