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Der Tristan-Betrug

Titel: Der Tristan-Betrug
Autoren: Robert Ludlum
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MOSKAU, AUGUST 1991
    Die lang gestreckte, schwarze Limousine mit schussfesten Scheiben mit Polykarbonateinlage, mit Reifen, die auch ohne Luftdruck rollten, und einer High-Tech-Panzerung aus Keramikmaterial und doppelt gehärteten Panzerplatten aus Flussstahl wirkte schockierend fehl am Platz, als sie in den Bittsewsky-Forst südwestlich der Großstadt rollte. Dies war ein urzeitliches Gebiet, noch heute Urwald, dicht mit Birken- und Espenbeständen bewachsen, die mit Tannen, Ulmen und Ahornen durchsetzt waren. Diese Wildnis kündete von umherstreifenden Jägern der Steinzeit, die dieses von Gletschern geformte Gebiet durchstreift hatten und inmitten einer von Zähnen und Krallen blutroten Natur mit handgeschnitzten Wurfspeeren auf Mammutjagd gegangen waren. Im Gegensatz dazu kündete der gepanzerte Lincoln Continental von einer ganz anders gearteten Zivilisation mit andersartiger Gewalt, von einer Ära der Heckenschützen und Terroristen, die mit Sturmgewehren und Splitterhandgranaten bewaffnet waren.
    Moskau war eine belagerte Stadt. Es war die Hauptstadt einer Supermacht, deren Zusammenbruch unmittelbar bevorstand. Kommunistische Hardliner bildeten eine Verschwörung und schickten sich an, Russland den Reformkräften wieder zu entreißen. Zehntausende von Soldaten füllten die Stadt und waren bereit, auf die Einwohner Moskaus zu schießen. Kolonnen aus Panzern und gepanzerten Mannschaftstransportern rasselten den Kutusowsky-Prospekt und die Minskoje-Chaussee entlang. Panzer riegelten das Moskauer Rathaus, Fernsehsender, Zeitungsredaktionen und das Parlamentsgebäude ab. Der Rundfunk sendete nur noch die Dekrete der Verschwörer, die sich als Staatskomitee für den Notstand bezeichneten. Nach Jahren des Fortschritts in Richtung Demokratie war die Sowjetunion drauf und dran, wieder in die Fänge der dunklen Mächte des Totalitarismus zu geraten.
    Hinten in der Limousine saß ein alter Mann, silberhaarig, mit gut geschnittenen, aristokratischen Gesichtszügen. Es war Botschafter Stephen Metcalfe, eine Ikone des amerikanischen Establishments, der Berater von fünf Präsidenten seit Franklin D. Roosevelt, ein märchenhaft reicher Mann, der sein Leben in den Dienst seines Landes gestellt hatte. Botschafter Metcalfe war freilich pensioniert und trug diesen Titel nur noch ehrenhalber, doch er war von einem alten Freund, der im engsten Führungskreis der Sowjetmacht eine hohe Position bekleidete, dringend nach Moskau gerufen worden. Sein Freund und er hatten sich seit Jahrzehnten nicht mehr persönlich getroffen; ihre Freundschaft war ein streng gehütetes Geheimnis, das niemand in Moskau oder Washington kannte. Dass sein russischer Freund mit dem Decknamen »Kurwenal« auf einem Treffen in dieser gottverlassenen Gegend bestanden hatte, war beunruhigend, aber dies waren beunruhigende Zeiten.
    Der nachdenkliche und sichtlich nervöse Alte stieg erst aus seiner Limousine, als er die Gestalt seines Freundes, des DreiSterne-Generals, erkannte, der nun, von seiner Beinprothese stark behindert, auf ihn zuhumpelte. Als der Amerikaner sich in Bewegung setzte, suchte er mit erfahrenem Blick den Wald ab, und dann hatte er das Gefühl, das Blut gefriere ihm in den Adern.
    Er entdeckte einen Beobachter zwischen den Bäumen. Einen zweiten, einen dritten Mann! Überwachung. Der Russe mit dem Decknamen Kurwenal und er waren entdeckt worden!
    Das konnte für sie beide eine Katastrophe bedeuten!
    Metcalfe wollte seinem alten Freund etwas zurufen, wollte ihn warnen, aber dann sah er in der Spätnachmittagssonne den glitzernden Reflex auf dem Objektiv eines Zielfernrohrs. Scharfschützen! Ein Hinterhalt!
    Der alte Botschafter warf sich in panischer Angst herum und trabte zu der gepanzerten Limousine zurück, so schnell es seine arthritischen Gelenke zuließen. Er war ohne Leibwächter gekommen; er verzichtete stets auf diese Begleiter. Er hatte nur seinen Fahrer, einen unbewaffneten Marineinfanteristen, den die Botschaft ihm gestellt hatte.
    Plötzlich stürmten von allen Seiten Männer auf ihn zu. Schwarz uniformierte Gestalten mit schwarzen paramilitärischen Baretten und schussbereit gehaltenen Maschinenpistolen. Als sie ihn umzingelten, begann er sich zu wehren, aber er war kein junger Mann mehr, wie er sich auch heute wieder sagen musste. War dies eine Entführung? Wurde er als Geisel genommen? Er rief heiser nach seinem Fahrer.
    Die Schwarzuniformierten führten Metcalfe zu einer weiteren gepanzerten Limousine, einem russischen SIL. Er
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