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Totenpech

Titel: Totenpech
Autoren: Tanja Pleva
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er
wusste, dass ihr Zug in zwei Stunden ging und sie sich erst nächstes oder
vielleicht auch erst übernächstes Wochenende wiedersehen würden.
    Lina fand den Gedanken unerträglich, sich von Sam im Streit zu
trennen.
    Sie kauerte sich auf dem Bett zusammen und versuchte, das ungute
Gefühl, das plötzlich in ihr aufstieg, zu verdrängen. Sie wusste nicht, woher
dieses Gefühl kam. Lag es vielleicht an dem Albtraum, der sie in der Nacht
geplagt hatte und der ihr jetzt noch einen Schauer über den Rücken laufen ließ?
Es war schon oft vorgekommen, dass sie den Tod eines Menschen geträumt hatte.
Ihre Oma – gut, sie war auch alt gewesen – war eine Woche nach dem Traum an
einem Herzinfarkt verstorben. Ihr Onkel, gesund und munter, hatte plötzlich einen
tödlichen Unfall gehabt, ihre Tante kam bei einem terroristischen Anschlag in
Madrid um, und eine Freundin von ihr war von heute auf morgen einer eigenartigen
Krankheit erlegen. Und jetzt hatte sie von ihrem eigenen Tod geträumt.

4. KAPITEL
    Sam war vom Leiter der Münchner Mordkommission gebeten
worden, seinen Urlaub vorzeitig abzubrechen, weil er dringend bei einer
Vernehmung gebraucht wurde. Die genauen Gründe wurden nicht genannt, und Sam
konnte sein Flugticket und die Eintrittskarte für die Oper in Verona, die er
vor drei Monaten gekauft hatte, wegwerfen oder bei Ebay versteigern, was seine
ohnehin schon schlechte Laune wegen des Streits mit Lina nicht gerade
verbesserte. Er hatte sich nach seinem letzten Fall dazu entschlossen, für
Europol nur noch als »Springer« zu arbeiten – sozusagen der Mann für besondere
Fälle, damit er nicht mehr so viel unterwegs war und mehr Zeit mit Lina
verbringen konnte.
    Als Sam in den Vernehmungsraum kam, stand Alfred Niemann am Fenster,
die Arme vor der Brust verschränkt, und starrte hasserfüllt auf den jungen Mann
vor sich am Tisch.
    Â»Non è colpa mia.«
    Â»Kann der Wichser auch was anderes von sich geben als immer nur den
gleichen beschissenen Satz?«, platzte Alfred heraus und rieb sich über das vor
Wut gerötete Gesicht.
    Der junge Italiener sah Sam aus tiefschwarzen Augen an und sagte:
»Non ho fatto niente.«
    Â»Da, schon wieder, gleich knall ich ihm eine.«
    Sam drehte einen Stuhl herum, setzte sich, beide Arme auf die
Stuhllehne gestützt, ebenfalls an den Tisch und betrachtete den Bogen Papier,
der darauf lag.
    Â»Du bist ja schon weit gekommen«, kommentierte er das leere Blatt
Papier.
    Â»Wie denn auch, der hat mir ja nicht mal seinen beschissenen Namen
verraten.«
    Das war also die wichtige Vernehmung, der er beiwohnen
beziehungsweise die er führen sollte, weil die Kollegen mit dem italienischen
Verdächtigen keinen Schritt weitergekommen waren und Sam ein besonderes
Händchen bei Verhören hatte. Zusätzlich war er dafür bekannt, dass er viele
Sprachen sprach. Bedauerlicherweise gehörte Italienisch nicht zu seinem
Repertoire, was aber niemanden zu interessieren schien.
    Sam sah wieder in die dunklen Augen des Italieners, in denen er kaum
einen farblichen Unterschied zwischen der Pupille und der Iris erkennen konnte.
Er kramte in seinem Kopf nach ein paar italienischen Brocken, die er mal aufgeschnappt
hatte, und fragte: »Come ti chiami?«
    Â»Alessio.«
    Â»Passt zu dem schwulen Sack.«
    Der Italiener sah Alfred wütend an.
    Â»E?«
    Â»Alessio Leoni.«
    Â»Okay. Sieh mal, wie einfach das war«, grinste er Alfred an und
wandte sich wieder an Alessio.
    Â»So, mein Freund, und nun erzählst du mir, was gestern Nacht in der
Villa passiert ist.«
    Alessio sah Sam an, als würde er ihn nicht verstehen.
    Sam grinste. »Ich rate dir, keine Spielchen mit mir zu spielen,
okay! Weißt du, diese Welt besteht aus einem ständigen Nehmen und Geben, wenn
du verstehst, was ich meine?«
    Alessio sah kurz zu Alfred auf, der vor Wut fast explodierte, und
sagte dann in beinahe akzentfreiem Deutsch: »Lothar hat mich regelmäßig …«
    Â»Ach, der kleine Scheißer kann Deutsch. Ich fasse es nicht!«,
unterbrach Alfred den Tatverdächtigen und schlug mit der Faust gegen den
Fensterrahmen. Der junge Italiener zuckte zusammen, und Sam warf seinem
Kollegen so einen Blick zu, dass dieser verstummte und nur noch ein wütendes
Schnaufen, wie von einem Stier in der Arena, zu hören war. Dann forderte er Alessio
mit einem Nicken auf, weiterzureden.
    Â»Also
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