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Totenpech

Titel: Totenpech
Autoren: Tanja Pleva
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Jahrzehnten kämpft
Ägypten um die Herausgabe der Büste der Nofretete, die bei Ausgrabungen 1903 gefunden und von ihrem Entdecker nach Deutschland gebracht
worden war. Jetzt stellte sich heraus, dass lediglich die Kopie, die einst
Hitler anfertigen ließ, im Neuen Museum in Berlin die Blicke der Besucher
erfreut. Ein Rätsel bleibt, wie das Original in das Kairoer Museum
zurückgefunden hat.
    Neben dem Artikel stand ein Foto des strahlenden Ronald
Walter, der die Büste der Nofretete wie eine Geliebte ansah.
    Sam legte die Zeitung beiseite und sah auf die goldene Kette mit den
Lapislazulisteinen in seiner Hand. Er platzierte sie neben eine brennende
Kerze, die vor einem Foto von Lina stand. Zum zehnten Mal las er die Zeilen auf
der Trauerkarte.
    Â 
    Steht nicht an meinem Grab und weint.
    Ich bin nicht da,
    nein, ich schlafe nicht.
    Ich bin eine der tausend wogenden Wellen des Sees,
    ich bin das diamantene Glitzern des Schnees,
    wenn ihr erwacht in der Stille am Morgen,
    dann bin ich für euch verborgen,
    ich bin ein Vogel im Flug,
    leise wie ein Luftzug,
    ich bin das sanfte Licht der Sterne in der Nacht.
    Steht nicht an meinem Grab und weint.
    Ich bin nicht da,
    nein, ich schlafe nicht.
    Tränen rannen ihm die Wangen hinunter. Er machte sich
nicht mehr die Mühe, sie mit seinem zerknüllten Taschentuch wegzuwischen.
    Er hatte Lina nie geglaubt, wenn sie davon gesprochen hatte, dass
die Toten die Lebenden noch eine Zeit lang begleiten, dass sie Zeichen ihrer
Präsenz geben und dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Ein Leben in einer
anderen Dimension, unsichtbar für die meisten Menschen. Jetzt wollte er an all
ihre Worte glauben, weil sie ihm in seiner Trauer Hoffnung gaben. Die Hoffnung,
dass sie vielleicht gerade bei ihm war, dass sie ihm ein Zeichen geben würde
und die Leere in seinem Herzen sah, die sie dort hinterlassen hatte.
    Den Zeitpunkt des Todes kann man nicht verändern, vielleicht etwas
aufschieben. Genau das hatte er letztes Jahr getan und ihnen damit ein Jahr
Leben und Liebe geschenkt. Sollte er dankbar dafür sein? Hätte er anders gelebt
mit ihr, wenn er es gewusst hätte? Ja, vielleicht. Er wäre aufmerksamer gewesen
und hätte nicht so dickköpfig gehandelt. Vielleicht sollte man jeden Tag so
leben, als wäre er der letzte.
    Sam hatte sich eine Auszeit von seinem Job genommen. Er wollte
niemanden um sich haben und hatte sich seit seiner Rückkehr aus Kairo in seiner
Wohnung eingeschlossen.
    Nach einer weiteren Durchsicht des Videos aus dem Hotel, auf dem man
Joséphine spät abends mit einem Koffer durch die Lobby gehen sah, war klar,
dass sie selbst ihren Mann umgebracht hatte. Sie hätte ihm die Eier rausreißen
sollen, wie sie in einem Verhör gesagt hatte, stattdessen hatte sie ihn
gezwungen, seine Drogen bis zum Kotzen einzunehmen. Die Autopsie bestätigte,
dass Daniel Renouillt vollgepumpt war und er durch die Mischung aus Heroin,
Kokain und Ecstasy kollabiert und letztlich erstickt war. Auf die Frage, warum
sie ihn nicht mumifiziert hatte, sagte sie lediglich, dass sie kein Interesse
an einem Fortbestehen dieser armseligen Kreatur hatte. Ihr Leben lang hatte sie
um die Aufmerksamkeit ihres Vaters gebuhlt. Doch dessen Leidenschaft zur
Archäologie war ein zu großer Konkurrent. Ihr Vater war besessen davon gewesen,
ein Pharaonengrab zu entdecken. Er hatte sein Leben lang gegraben, ohne etwas
Bedeutendes zu finden. Sie hatte die Idee gehabt, die drei besonderen Mumien in
die Grabkammer zu schmuggeln, damit er endlich den verdienten Ruhm und vor
allem Frieden fand. Sie hatte sich gewünscht, dass er wieder die Menschen um
sich herum sah. Wie damals, als sie fünf Jahre alt war und er ihr vor dem
Einschlafen öfter vorgesungen hatte.
    Doch der Betrug flog auf. Basil Nassour hatte seine Tochter
verstoßen und sie als Monster bezeichnet. Was sie auch in der Tat war. Die
Polizisten hatten in zwei Nebenräumen halb präparierte Leichen und bereits
fertiggestellte Mumien gefunden, die auf ihren Abtransport zu Kunden gewartet
hatten. Aber sie hatten auch vier Kinder aus ihren Zellen befreien können. Zwei
davon waren die Kinder aus den Ferienanlagen in Portugal, eines ein
griechischer Junge und eines unbekannter Herkunft. Der Kopf des Kindes war
einbandagiert gewesen und hatte eine längliche Form angenommen. Es war zu
klein, um zu sprechen und zu sagen, wer seine Eltern waren. Die Polizei hatte
das Foto ins Internet
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