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Totenpech

Titel: Totenpech
Autoren: Tanja Pleva
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nieder und
verließen den Kellerraum. Ronald Walter gehörte noch nicht richtig zum Team,
sodass sie ihn auch nicht fragten, ob er mitkommen wolle, was ihm nur mehr als
recht war.
    Er hörte die Kellertür oben ins Schloss fallen und machte sich
gleich daran, die anderen Kellerräume zu durchsuchen, in denen immer noch
Unmengen von ungeöffneten Sarkophagen und Holzkisten standen. Wo um Himmels
willen sollte er hier die Büste finden, wenn sie überhaupt noch hier war? Doch
davon ging Ronald Walter aus, denn es gab kein besseres Versteck als hier
unten, wo der Direktor für Altertumskunde, Kamal Alawar, uneingeschränkten
Zugang hatte. Vielleicht war der Plan aber auch, dass einer der Archäologen die
Büste beim Archivieren fand. Ein schlauer Schachzug, denn das würde aussagen,
dass die Büste hier schon seit unbestimmten Zeiten ungesehen im Keller gelegen
hatte, genau wie die anderen tausend Stücke. Keiner könnte des Diebstahls
bezichtigt werden, die Büste war wieder in ägyptischem Besitz, und Deutschland
um die Herausgabe des wertvollen Kopfes zu bitten hatte endlich ein Ende. Ja,
das ergab Sinn, fand Ronald Walter. Als er die Frau und Kamal Alawar belauscht
hatte, waren die Stimmen von nicht ganz so weit hergekommen. Vielleicht sollte
die Büste bald gefunden werden, damit sie als Highlight der anstehenden
Eröffnung des großen Giseh-Museums ausgestellt werden konnte. Das wiederum könnte
bedeuten, dass sie hier irgendwo im angrenzenden Kellerraum versteckt war.
    Viele der Kisten waren zugenagelt. Er holte sich ein Stemmeisen und
einen Hammer und öffnete eine Kiste nach der anderen. Nach der Durchsicht
verschloss er jede einzelne wieder sorgfältig.
    Es war die dreizehnte Kiste, in der er zwischen profaner Holzwolle
das sündhaft teure Stück fand. Die Königin sah ihn mit ihren mandelförmigen
Augen an, und es war, als würde sie ihm zulächeln, sich bei ihm bedanken, dass
er sie aus der dunklen Kiste befreit hatte. Ronald Walter hielt die Büste in
seinen Händen und starrte wie gebannt in das steinerne Gesicht der Nofretete.
Das Gesicht so schmal und so zart. Ein Poet hätte Hunderte von Worten für diese
Schönheit gefunden, er selbst war sprachlos, denn er war kein Mann der Worte.
Er streichelte die Königin, ihre Stirn bis zur Schläfe, über die Wangen zum
Kinn hinunter. Vielleicht sollte er die Büste einfach behalten und sich aus dem
Staub machen. Niemand konnte ihn anklagen, denn es gab sie ja offiziell gar
nicht.
    Ronald Walter legte die Büste wieder in die Kiste, verschloss diese
und sank auf den Boden. Was sollte er bloß machen? Er konnte keinen klaren
Gedanken fassen. Er war hin und her gerissen, all seine Motivationen waren
verflogen, und sein Herz klopfte bis zum Hals, als wollte es aus seiner Kehle
hüpfen. Doch dann schloss er die Augen, atmete tief durch und dachte daran,
dass er nie wieder als Petze oder Verräter dastehen wollte.
    Er würde so tun, als hätte er nichts vermutet, nichts gedacht,
nichts gefunden, nichts gesehen. Er war ein Nichts und würde ein Nichts
bleiben. Ein unbeschriebenes, unauffälliges Blättchen, über das keiner ein Wort
verlieren würde, wenn er mal das Zeitliche segnen würde. Einer von Milliarden
anderen ohne bleibenden Namen.

81. KAPITEL
    Sam hatte am Morgen sämtliche Formalitäten als deutscher
Ermittlungsbeamter bei den ägyptischen Behörden abgewickelt, um den mit
Formalin gefüllten Leichnam von Aziz Daniel Renouillt schnellstmöglich nach
Deutschland zu überführen, wo er einer weiteren Obduktion unterzogen werden
würde. Zwischendurch hatte er sich immer wieder Linas Mailbox angehört. Er
wusste nicht, ob er wütend sein oder sich ernsthaft Sorgen machen sollte. Wäre
sie nicht schon längst zu Hause, wenn sie gestern abgereist war? Vielleicht
antwortete sie nur aus Trotz wieder nicht auf seine Anrufe. Ihre Mutter wollte
er nicht unnötig beunruhigen, deshalb hatte er sie noch nicht benachrichtigt.
Er würde noch heute Abend mit der letzten Maschine nach Hamburg fliegen, und
dann würde sich alles aufklären.
    Die Villa der Renouillts auf Mallorca war durchsucht worden. Zwei
spanische Polizisten warteten dort darauf, Joséphine Renouillt festzunehmen, um
sie den deutschen Behörden auszuliefern. Die Fahndung nach ihr lief inzwischen
auf Hochtouren, und Sam wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis
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