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Totenpech

Titel: Totenpech
Autoren: Tanja Pleva
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in der Hand hielt, die er nur vom Foto kannte,
starrte er fassungslos auf das Objekt.
    Â»Ich habe sie gestohlen.«
    Es dauerte eine Weile, bis Sam den Sinn des Satzes verstand.
    Â»Sie? Sie haben die Büste aus der Villa von Frau Serani gestohlen?«,
fragte er und schüttelte ungläubig den Kopf.
    Hatte Frau Serani nicht gesagt, dass Aethel …
    Â»Nein. Aus dem Keller.«
    Sam verstand immer noch nicht. »Aus welchem Keller?«
    Und dann plapperte Ronald Walter wie ein Wasserfall drauflos. Ließ
dabei nichts aus, es war ihm egal, ob Sam die Zusammenhänge verstand oder
nicht. Hauptsache, er war endlich alles los. Er erwähnte die blonde Frau, als
wäre sie die böse Hexe aus einem Märchen der Gebrüder Grimm, erzählte von ihrem
Verbündeten, die Diebstähle aus dem Museum … Das war der Moment, in dem Sam die
Hand hochhielt.
    Â»Stopp.«
    Sam versuchte, den Schwall von Informationen in seinem Kopf zu
ordnen. Offensichtlich handelte es sich bei der blonden Frau um Joséphine
Renouillt, die hier in Kairo war. Walter hatte sie gesehen und beobachtet, wie
sie in der Totenstadt verschwunden war. Amulette aus dem Archiv gestohlen? Das
hieß, sie präparierte wieder irgendeine Mumie. Die Büste hatte sie für eine
Ausgrabungserlaubnis gekauft. Wahrscheinlich für ihren Vater, der davon nichts
erfahren sollte. Eine Wiedergutmachung sozusagen.
    Â»Sie sind doch meinetwegen hier … wegen des Betruges … wegen
Direktor Hansen, oder nicht?«
    Sam sah Ronald Walter lange, sehr lange an, bis er eine Regung
zeigte. Dann schüttelte er den Kopf, um ihm klarzumachen, dass er nicht seinetwegen
hier war. Aber die Worte fehlten ihm.
    Die Nekropole, die an die Altstadt von Kairo grenzte, sah
auf den ersten Blick für Sam aus wie eine Stadt aus Tausendundeiner
Nacht . Sandfarbene niedrige Häuschen, aus denen hier und da ein buntes
Minaretttürmchen herauslugte, und der feine Staubschleier, der wie ein Zauber
darüber hing und alles noch irrealer erscheinen ließ. Sam konnte nicht glauben,
dass hier auf dem Friedhof von Kairo Menschen lebten, wurde aber bereits nach
hundert Schritten in die Nekropole davon überzeugt.
    Vom Schmutz verschmierte Kinder huschten zwischen den Mausoleen und
Familiengräbern umher, ein alter Mann mit weißer Kopfbedeckung und schwarzer Sonnenbrille
saß auf einem Holzschemel vor einem Grab, das er bewohnte und in dessen Keller
die Toten lagen. Ein Stück weiter saßen drei verschleierte Frauen auf dem
sandigen Boden neben einer Mauer, auf der in arabischer Schrift die Namen
irgendwelcher Verstorbenen standen, und sahen den merkwürdigen Besuchern nach.
Rajid hatte etwa vierzig Beamte mobilisiert, die sich durch die Nekropole
arbeiteten. Sie hatten Ronald Walter als Führer dabei, der sich eigentlich
geschworen hatte, nie wieder einen Fuß hier hereinzusetzen, und gerade lernte,
dass man nie nie sagen sollte. Alle zehn Meter verteilten sich die Beamten in
andere Richtungen, während Ronald Walter krampfhaft versuchte, sich an den Weg
zu erinnern, auf dem er der blonden Frau gefolgt war. Er konnte sich aber nicht
wirklich an etwas erinnern. Schließlich war es stockdunkel gewesen.
    Nach drei Stunden des Umherirrens suchte Sam eine schattige Stelle
und lehnte sich gegen die Wand eines Mausoleums, in dem offenbar niemand
Lebendiges wohnte. Er fragte sich, wie lange sie wohl brauchen würden, um hier
wieder herauszufinden. Er beobachtete Ronald Walter, der sich über Gesicht und
Hals fuhr, um den Schweiß wegzuwischen, und dabei auf der Stelle im Kreis trat.
»Erinner dich, Ronald. Erinner dich«, beschwor Ronald Walter sich selbst und
ließ Sam an das verzweifelte Rumpelstilzchen denken.
    Rajid hatte sich auf einen Stein gesetzt und sprach in ein
Funkgerät. Er sah Sam an und schüttelte den Kopf.
    Â»Ich bin mir sicher, dass ich sie ungefähr da vorn das letzte Mal
gesehen habe«, verkündete Ronald Walter zaghaft.
    Sam nickte, fuhr sich über sein unrasiertes Kinn und war gerade im
Begriff weiterzugehen, als jemand direkt in ihn hineinlief.
    Â»Please, please … help me.«

82. KAPITEL
    Die junge Frau war außer Atem, völlig verdreckt und, wie
Sam hörte, keine Araberin. Sie klammerte sich an Sam wie ein verängstigtes
Kind. Er befreite sich aus ihrem Griff und schob sie ein Stück von sich.
    Â»Please, please …« Mehr war aus der jungen Frau
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