Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Totenpech

Titel: Totenpech
Autoren: Tanja Pleva
Vom Netzwerk:
nicht erzählt?« Joséphine lachte wieder, fast
hysterisch.
    Â»Das war das reinste Kinderspiel. Lothar Senner war bekannt an der
Côte d’Azur wegen seiner außergewöhnlich stilvollen Jachten. Er verkaufte eine nach
der anderen, besonders in den Sommermonaten …«
    Deshalb verschwanden auch nur in dieser Zeit Menschen, dachte Sam.
Was für ein durchtriebenes Weib.
    Â»Ich beobachtete ihn eine Zeit lang. Jeder Mensch hat ein Geheimnis
und trägt eine Maske im Gesicht, um seine unmoralischen Gedanken zu verbergen.
Man muss nur den richtigen Ansatz finden, um die Tarnkappe herunterzureißen.
Ich setzte also einen Boy auf Senner an, der seine Glocken zum Bimmeln brachte
…« Sie lachte über ihren zweideutigen Witz. »Dann sollte er laut kreischend aus
dem Hotelzimmer laufen. Und da stand zufällig meine Wenigkeit. Ich regelte
diese äußerst delikate Situation für Senner, und von diesem Tag an waren wir
best friends. Ich behielt sein dreckiges Geheimnis für mich für eine kleine
Gegenleistung. Wer kauft schließlich gern von einem Scheißefresser?« Sie zuckte
mit den Schultern. »Niemand.«
    Â»Sie haben Senner also von Ihrem miesen Geschäft erzählt, und er hat
gleich mitgemacht?«
    Sie stutzte einen Moment. »Für wie dumm halten Sie mich? Der Trottel
dachte, die Entführten werden auf einem arabischen Sexmarkt verkauft. Das
gefiel dem Perversen. Außerdem bekam er für jede Fahrt mehrere seltene ägyptische
Antiquitäten, direkt aus Gräbern. Was natürlich nicht immer der Wahrheit
entsprach. Manchmal musste ich auf einer dieser Versteigerungen ein paar Teile
kaufen oder auch jemand aus dem Museum überreden, mir etwas zu überlassen,
gegen ein kleines Entgelt, versteht sich. Aber egal …«
    Sam dachte an den kleinen König Khufu, den Serani wiedererkannt
hatte.
    Â»Und warum wollte er dann den Service einstellen?«
    Â»Daniel hatte das Ding vermasselt. Hing wieder irgendwo breit in der
Gegend rum. Immer wenn ich nicht direkt nach einer Fahrt lieferte, wurde die
Schwuchtel zickig und drohte mit diesen Albernheiten. Ich musste ihn nur an den
Boy und sein dreckiges kleines Geheimnis erinnern. Dann war er wieder handzahm,
meistens jedenfalls.«
    Â»Haben Sie Ihre Opfer geplant oder planlos entführt?«
    Â»Och, je nachdem. Daniel war derjenige, der sich um den Teil des
Geschäftes gekümmert hat. Ich habe nur ab und zu eingegriffen, wenn er mal
wieder ungehorsam war. Dann habe ich ihn und seine kleinen Nutten bestraft.«
    Sam wurde plötzlich übel. Hatte sie Lina etwa auch bestraft, weil
sie sich mit Daniel eingelassen hatte?
    Â»Wie Michaela Kriech und …« Den zweiten Namen konnte oder wollte er
nicht aussprechen, denn noch hatte er Hoffnung, dass Lina sicher in Hamburg
saß.
    Â»Keine Ahnung, wie sie alle hießen. Ist das von Bedeutung?«
    Ronald Walter stand plötzlich im Raum. Er sah sich um, starrte mit
großen Augen auf die Mumie und versuchte zu verstehen, was hier vor sich ging.
Dann bewegte er sich zögernd auf den hinteren Teil des Raumes zu, der im Dunkeln
lag. Sam dagegen ließ die Frau vor sich nicht aus den Augen und betrachtete nur
flüchtig das Instrumentarium um sie herum, das eher zu einer Chirurgin als zu
einer Archäologin gehörte. Sein Blick blieb am Inhalt einer schwarzen Holzschale
auf einem Metalltisch hängen. Er musste zwei Mal hinsehen, um zu realisieren,
was er da sah. Alte Zahnstumpen. Und dann geschah alles auf einmal. Sam nahm
zur Rechten ein Schluchzen aus der Kehle von Ronald Walter wahr, wollte gerade
seinen Kopf in die Richtung drehen, als Joséphine Renouillts Hand mit einem
blitzenden Gegenstand direkt auf sein Herz zuschnellte. Er griff nach ihren
Armen und versuchte, das Skalpell von seinem Körper wegzudrehen. Es gelang ihm,
ihre Hand nach hinten zu biegen, sodass sie vor Schmerzen aufschrie.
    Rajid packte die Frau von hinten und zwang sie zu Boden, wo sie mit
schmerzverzerrtem Gesicht liegen blieb. Ronalds Schluchzen war nun in fast
kindliches Weinen übergegangen. Sam war irritiert über dessen Gefühlsausbruch.
Während Rajid Joséphine mit seiner Waffe in Schach hielt, ging er langsam in
den hinteren Teil des Raumes, der im Halbdunkeln lag. Nicht sein schlimmster
Albtraum wurde dem gerecht, was er in diesem Moment im Schein der Fackel sah.
Er schloss die Augen und öffnete sie langsam wieder,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher