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Wilder Wein

Wilder Wein

Titel: Wilder Wein
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Eine wundervolle morgendliche Sommersonne schien durch das schräge Glasdach in den weiten Raum und tauchte alles in ein freundliches Licht. In ihren Strahlen tanzte der Staub. An den Wänden lehnten Gemälde, die aufzuhängen sich noch niemand die Mühe gemacht hatte. Pinsel und Farbtuben, halb ausgedrückt, lagen herum. Den Platz auf einer alten Couch, die schräg unter dem breiten Fenster stand, nahmen einige vollgekleckste Paletten ein. Der Boden war schmutzig, er hätte längst wieder einmal eine Behandlung mit dem Schrubber vertragen. Den Mittelpunkt des Raumes bildete eine verhängte Staffelei.
    Dies alles stellte in seiner Gesamtheit – der Leser mag es schon erraten haben – das Atelier eines Malers dar, dem es noch an der nötigen Berühmtheit fehlte; eines unbekannten jungen Malers also.
    Sein Künstlername lautete Frédéric Bruhère. Dafür, sich ein Pseudonym zuzulegen, hatte es einen zwingenden Grund gegeben. Der junge Mann hatte nämlich einen wahren Geburtsfehler, und zwar war er als Sohn eines gewissen Fritz Brühe auf die Welt gekommen, der ihm seinen vollen Namen ins Leben mitgegeben hatte. Eine Katastrophe!
    Fritz Brühe …
    Dieser Name wäre schon für einen Suppenfabrikanten problematisch gewesen, geschweige denn für einen Maler.
    Botticelli, Tintoretto, Raffael, Leonardo da Vinci – das sind Namen für Maler!
    Oder Velasquez, Goya, Cézanne!
    Auch noch Holbein der Ältere und Jüngere oder Albrecht Dürer, obwohl …
    Obwohl Albrecht, offen gestanden, natürlich schon keinen Vergleich beispielsweise mit Leonardo aushält.
    Solche Überlegungen waren es, die Fritz Brühe jun. am Beginn seines Malerlebens angestellt hatte, und so war dann eben ein Frédéric Bruhère aus ihm geworden.
    Außerdem befleißigte sich der Jüngling, fortan im Stil eines Bohemiens zu leben. Er benahm sich entsprechend, trug ausgefallene Kleidungsstücke und lange Haare, wenn die anderen kurz geschoren gingen – und umgekehrt. Die Baskenmütze auf seinem Kopf wurde zum Markenzeichen, dies freilich nur in seiner eigenen Einbildung. Ein echter Bohemien leidet auch nicht an Verfettung, ihm kracht vielmehr meistens der Magen, und gerade davon konnte Frédéric Bruhère alias Fritz Brühe auch ein Lied singen.
    Frédéric Bruhère …
    Der Name konnte sich hören lassen, nur, es nahm niemand Notiz davon. Die Bilder, welche die Leute hätten kaufen sollen, blieben nach wie vor liegen. Von irgendwas mußte der junge Mann jedoch leben, deshalb malte er Firmenschilder und ähnliches. Ein Trost war ihm die Verachtung, mit der er die Welt strafte, in welcher nur Banausen lebten.
    Zwischendurch schuf er – meistens nachts – künstlerische Bilder nach seinem Geschmack und stellte sie zu den anderen, die schon an den Wänden lehnten. Wenigstens weiß ich dadurch, dachte er oft, was van Gogh empfunden haben muß.
    Heute nun lag Fritz Brühe, das verkannte Genie, im Bett und blinzelte in die Sonne. Es eilte nicht mit dem Aufstehen, ihn erwartete niemand, er hatte keine Pflichten, er hatte keine Aufträge – auch Schilder waren im Moment keine zu malen. Darüber war Fritz bzw. Frédéric einerseits froh, denn diese Arbeit kotzte ihn, den Künstler, an; andererseits bildete sie seinen Broterwerb, und deshalb bestand Grund zur Sorge, wenn solche Aufträge ausblieben.
    Wenigstens sieht es, sagte sich der in die Sonne blinzelnde junge Mann, danach aus, daß der Tag heute herrlich wird. Man kann am Rhein sitzen, die Beine baumeln lassen und den Schleppern zusehen, die träge stromaufwärts und etwas munterer stromabwärts ziehen. Manchmal kommt auch ein Personenschiff mit fröhlichen Menschen vorbei, denen man zuwinkt; sie winken zurück, blicken hinauf zum Ehrenbreitstein, zu allen grünen Hügeln des Rheintales.
    Koblenz ist eine schöne Stadt, wenn man Geld hat, dachte Fritz und kletterte gähnend aus seinem Bett, schlurfte zu seinem elektrischen Kocher, stellte einen Topf mit Wasser auf, gähnte noch einmal herzhaft, fuhr sich durch die wirren Haare und griff zur angebrochenen Zigarettenpackung auf dem Tisch. Dieser Wahnsinn, schon auf nüchternen Magen eine zu rauchen, ist vielen Männern eigen.
    Der Griff war erfolglos, in der Packung fand sich keine Zigarette mehr. Dadurch erhöhte sich die Sorge des jungen Mannes schlagartig noch mehr, gerade, als ob er kein einziges Stück Brot in seiner Bude mehr vorgefunden hätte – womit ohnehin zu rechnen war.
    »Scheiße!« sagt er laut zu sich selbst und warf die unschuldige leere
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