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Totenpech

Titel: Totenpech
Autoren: Tanja Pleva
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vor den Bildschirm getreten. Sein Gesicht
verzerrte sich, die Falte zwischen den Augen zog sich fast bis zum Haaransatz
hoch. Sam riss den Mund auf, er schien nach Luft zu schnappen oder Worte formen
zu wollen, die sich aber nicht aus seiner ausgetrockneten Kehle lösen wollten.
    Rajid war ebenfalls aufgestanden, hatte Sams Arm umfasst und
versuchte, ihn zurück auf den Stuhl zu ziehen. »Was haben Sie denn, Mr. O ’Connor?«
    Sam streckte den Finger aus und zeigte auf die junge Frau. »Das ist
nicht seine Frau. Was macht … Das kann doch nicht sein. Ich verstehe nicht, was
sie hier auf diesem Film macht.«
    Â»Wer, Mr. O ’Connor?«
    Â»Die junge Dame? An die erinnere ich mich sehr gut. Sie hat mit ihm
eingecheckt, dann sind sie am nächsten Tag weggefahren. Sie hatten einen Wagen
bestellt, der sie zu den Pyramiden bringen sollte«, erklärte der Hotelmanager,
strich sich verunsichert über seinen kleinen Oberlippenbart und blätterte
hastig die Anmeldeformulare durch.
    Â»Wie kann das sein? Ich meine, müssen die Gäste keine Pässe
vorzeigen.«
    Â»Doch, natürlich. Das hat sie ja auch. Hier steht Daniel Renouillt
und Lina Lopez auf der Anmeldung.«
    Â»Aber das kann nicht sein!«, schrie Sam den Manager an. Er war außer
sich, sein Gesicht war rot angelaufen, und er rang nach Luft.
    Sam saß auf der Rückfahrt zum Hotel nach Kairo im Fond des Wagens.
Er fühlte sich wie ein Ertrinkender, der verzweifelt mit den Armen rudert und
weiß, dass jede Bewegung umsonst ist und er es nicht mehr an die Oberfläche
schaffen würde. Was hatte Lina hier in Kairo gemacht? Was hatte sie mit diesem
Renouillt zu tun? Ja, natürlich, er hatte gut ausgesehen und war äußerlich
absolut Linas Typ. Aber war sie, seine Lina, wirklich diesem Kriminellen auf
den Leim gegangen? Vielleicht wollte sie mal die andere Seite beschnuppern, die
Seite, der Sam sein Leben widmete? Den kriminellen Seelen der Gesellschaft.
Oder hatte sie nichts von Renouillts Machenschaften gewusst?
    Er holte sein Handy heraus und wählte Linas Nummer. Lina hätte
gesagt, dass die Geister ihre Finger mit ihm Spiel haben, und obwohl Sam immer
an ihren Worten gezweifelt hatte, kam in ihm plötzlich das Gefühl auf, dass
hier irgendetwas nicht mit rechten Dingen zuging. Er fragte sich, ob es
wirklich dem Zufall zuzuschreiben war, dass Lina ausgerechnet mit dem Mann eine
Affäre hatte, den er seit geraumer Zeit suchte, dessen wahre Identität erst vor
ein paar Stunden entdeckt und der außerdem noch in einem Kairoer Hotel tot
aufgefunden worden war.
    Â»Ich bin zurzeit nicht erreichbar, aber wenn Sie mir eine Nachricht
hinterlassen wollen, dann tun Sie es doch jetzt gleich. Danke«, hörte Sam Linas
fröhliche Stimme auf ihrer Mailbox und klappte wütend sein Handy zu. Wo steckte
sie nur? Entweder sie war auf dem Nachhauseweg, was er inständig hoffte, oder –
aber daran wollte er erst gar nicht denken – sie war ein weiteres Opfer. Wie
Michaela Kriech.

80. KAPITEL
    Ronald Walter hatte den Entschluss gefasst, sich der Sache
zu stellen. Er wollte sich nicht sein Leben lang vor der deutschen Polizei
verstecken. Jedoch würde er versuchen, einen Deal auszuhandeln. Die Büste im
Austausch gegen ihn. Damit würde er nicht nur diese blonde Frau, die ihm ziemlich
gleichgültig war, sondern wahrscheinlich auch den Direktor für Altertumskunde
mit reinziehen, was wiederum bedeuten konnte, dass er sich einen anderen Job
suchen musste. Doch er musste die Dinge einfach mal von einer ganz egoistischen
Seite aus betrachten.
    Die Direktorin begrüßte ihn wie jeden Morgen. Freundlich und mit
einem Lächeln im Gesicht. Sie sah ihn nicht wie einen Kriminellen, Verdächtigen
oder Dieb an. Oder war sie eine gute Schauspielerin und rief im nächsten Moment
diesen O ’Connor
an, um ihn an die deutschen Behörden auszuliefern?
    Er ging in den Keller, begrüßte seine Kollegen und begann mit der
vorsichtigen Reinigung eines Kruges, den er aus einer Kiste geholt hatte, immer
in der Erwartung, dass man ihn gleich nach oben ins Büro rufen würde. Doch
nichts dergleichen geschah. Bis zwölf sah er beinahe jede Stunde auf die Uhr
und wartete darauf, dass seine Kollegen endlich den Weg nach oben in die kleine
Museumskantine antraten. Um halb zwei war es endlich so weit. In allgemeiner
Übereinstimmung legten sie ihre Pinsel, den Fotoapparat und Stifte
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