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Querschläger

Querschläger

Titel: Querschläger
Autoren: Silvia Roth
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Montag, 17. September 2007
    1
    Winnie Heller nippte an ihrer Diätcola und spähte durch die spärlichen Ponyfransen, die sie sich eigens für diesen Einsatz zurechtgeschnitten hatte, um ihrem Aussehen mehr Kontur zu verleihen, zum Eingang des Klubs Rhythm's Cube hinüber. Die klobige Armbanduhr an ihrem Handgelenk, die als einziges Accessoire des heutigen Abends aus ihrem Privatbesitz stammte, zeigte wenige Minuten nach elf, und auf den beiden von flackernden Lichtsäulen begrenzten Tanzflächen herrschte Hochbetrieb. Amüsierwütige Frauen und Männer im Alter zwischen achtzehn und etwa Mitte vierzig wimmelten in ekstatischen Zuckungen zwischen den chromblitzenden Sitzbereichen umher. Hin und wieder erhaschte Winnie Heller einen flüchtigen Blick auf die Tür, durch die ihr Kontaktmann jede Sekunde erscheinen musste, doch meistens war ihr durch die Tanzenden die Sicht versperrt.
    Du hättest dir einen Platz weiter vorn suchen sollen, schalt sie sich im Stillen. Vollkommen bescheuert, so weit hier hinten Position zu beziehen, wo du rein gar nichts mitbekommst und überdies wie eine von ihrem Liebhaber versetzte Hausfrau wirkst! Ärgerlich schob sie ihr Colaglas von sich und beobachtete eine spärlich bekleidete Kellnerin, die ein Tablett voller Cocktails und Champagnergläser in Richtung VIP-Lounge balancierte. Seit Wochen ermittelten Verhoeven und sie im Fall eines Kleinkriminellen, der sich mit Gelegenheitseinbrüchen über Wasser gehalten hatte und eines schönen Tages scheinbar grundlos aus dem Fenster seiner Hochhauswohnung gestürzt war. Sie hatten kein Motiv gefunden, keinen Hinweis auf Drogenprobleme oder gar Selbstmordabsichten, und der Fall war vollkommen auf der Stelle getreten, bis ein Informant sie auf eine mögliche Verstrickung des Opfers in den organisierten Handel mit gestohlenen Kunstschätzen hingewiesen hatte. Im Zuge der weiteren Ermittlungen waren sie auf interessante Querverbindungen gestoßen, sowohl zu Milan Baranovic, dem Besitzer dreier exklusiver Nachtklubs in Wiesbaden, Frankfurt und Mainz, als auch zu zwei lokalen Antiquitätenhändlern, denen ihr toter Kleinkrimineller angeblich gleich mehrfach gestohlene Kunstgegenstände angeboten hatte, die aus unautorisierten archäologischen Grabungen in Bulgarien stammten. Zwar hatten sie bislang nicht mit letzter Sicherheit ermitteln können, wo ihr Opfer die besagten Gegenstände herhatte, aber es schien durchaus nicht unwahrscheinlich, dass sie als Zufallsbeute aus einem Einbruch in seinen Besitz gelangt waren.
    Diese Erkenntnisse wiederum hatten den Beginn einer intensiven Zusammenarbeit mit der Abteilung für organisierte Kriminalität markiert, im Zuge derer Heinz Auerbach, der Leiter der Ermittlungsgruppe »Spartakus«, nicht nur einen vielversprechenden Kontakt zu einem Mann aus der Szene aufgebaut hatte, sondern auch zu dem Entschluss gekommen war, dass es nötig sei, eine Beamtin als Lockvogel für ein fingiertes Geschäft mit antikem Goldschmuck einzusetzen. Winnie Heller hatte sich sofort freiwillig für diesen Einsatz gemeldet, allerdings hatte sie mit ihrem Vorschlag zunächst nichts als Hohn und Spott geerntet. Aber da sie das einzige weibliche Mitglied des Ermittlerteams im passenden Alter war und überdies in ihrer Zeit bei der Drogenfahndung bereits Erfahrungen mit Undercovereinsätzen gesammelt hatte, war die Wahl schließlich und endlich doch auf sie gefallen, obwohl außer ihr noch eine andere, wenn auch nicht direkt an den Ermittlungen beteiligte Kollegin aus Auerbachs Abteilung für den Job vorgeschlagen worden war. Aber die ist viel zu hübsch, hatte Mettlach, einer der Kollegen von der Ermittlungsgruppe »Spartakus«, getönt. Da denkt der Kerl ja an alles Mögliche, nur nicht an einen Deal, wenn er ihr gegenübersitzt …
    Winnie Heller hatte gemeinsam mit den anderen gelacht, ziemlich laut gelacht sogar, aber tief in ihrem Inneren hatte sie sich in ihrer Weiblichkeit verletzt gefühlt. Natürlich wusste sie, dass sie nicht gerade das verkörperte, was man gemeinhin eine Sexbombe nennt, aber das indirekte Urteil des Kollegen hatte ihr trotzdem wehgetan. Eine blöde, hässliche Kuh, das war sie, noch dazu eine, die den falschen Sitzplatz wählte und die ganze Sache am Ende schon einzig und allein durch ihre Dämlichkeit vermasseln würde!
    Frustriert lehnte sie sich zurück und zog das Handy aus der Tasche, das Auerbachs Leute ihr mitgegeben hatten. Tat so, als tippe sie Kurznachrichten. Schauspielerte. Und beobachtete
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