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Querschläger

Querschläger

Titel: Querschläger
Autoren: Silvia Roth
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Fall beide der Befehlsgewalt von Auerbach. »Kommen Sie raus da, wir blasen die Sache ab.«
    Winnie Heller blieb sitzen und wartete darauf, dass Auerbach Verhoevens Order wiederholte. Ihre Verbeamtung auf Lebenszeit war noch immer nicht durch, da konnte sie es sich weiß Gott nicht leisten, negativ aufzufallen. Außerdem schleppte sie gewisse Altlasten mit sich herum, die – sollten sie jemals ans Licht kommen – ihre Karriere schneller ruinieren würden, als sie gucken konnte. Immerhin gehörte der Zustand nach nervenärztlicher/psychotherapeutischer Behandlung, wie es im Merkblatt zur Polizeidiensttauglichkeit hieß, zu den sogenannten »eventuellen Ausschlussgründen«, weshalb Winnie Heller die vierzehnmonatige Therapie, der sie sich nach dem Unfall ihrer Schwester hatte unterziehen müssen, bei ihrer Meldung zum Auswahlverfahren für den gehobenen Kriminaldienst des Bundes denn auch gewissenhaft verschwiegen hatte. Schon während der Gruppendiskussion und der anschließenden Einzelvorstellung vor der Auswahlkommission hatte sie Blut und Wasser geschwitzt vor lauter Angst, dass sie auffliegen oder sich irgendwie verraten würde, aber sie hatte durchgehalten und ihre Zulassung bekommen. Nichtsdestotrotz schwebte diese Lüge über ihrer Karriere wie das sprichwörtliche Damoklesschwert. Und schon allein aus diesem Grund konnte sie es sich auf keinen Fall erlauben, irgendwelche Vorschriften zu verletzen. Oder den Anweisungen der falschen Person Folge zu leisten. Und im Rahmen dieses Einsatzes hatte Verhoeven nicht viel mehr zu sagen als sie selbst.
    Na los doch, sag was, flehte sie im Stillen, während Heinz Auerbachs asketisches Gesicht vor ihr aufblitzte. Rede mit mir! Was soll ich machen, verdammt noch mal?
    Winnie Heller starrte wie gebannt zum Eingang des Klubs hinüber, der freilich nur hin und wieder spotlightartig in ihr Blickfeld geriet, und legte sich nun doch einen Finger ans Ohr. Was sie hörte, schienen mehrere Stimmen zu sein. Stimmen, die ganz offenbar unterschiedlicher Meinung waren. Für Sekundenbruchteile materialisierte sich Verhoevens klangvoller Bariton aus dem Gesamteindruck, dann war auch er wieder in einem indifferenten Lautgemisch verschwunden.
    »Hey, da draußen«, flüsterte Winnie Heller in ihr Mikro. »Es ist zwar urgemütlich hier, aber mir wäre bedeutend wohler, wenn ich …«
    Sie hielt abrupt inne, als sie Heino entdeckte, der soeben in Begleitung von Milan Baranovic und zwei weiteren Männern, die sie nicht kannte, den Klub betreten hatte. Er sah sich suchend um, und irgendetwas an seinem Blick gab ihr zu denken. Das ist eine Falle, dachte sie. Dieser Heino hat dich durchschaut. Irgendetwas an dem, was du gesagt oder getan hast, hat dich verraten.
    Sie blickte flüchtig an sich herunter und kam sich auf einmal vollkommen idiotisch vor mit ihren Glitterjeans und den zwei Pfund Make-up auf ihrem Gesicht. Deine Tarnung ist ein Witz, Winnie Heller, dachte sie bitter. Ein geschäftstüchtiges Flittchen mit Silberblick und falschen Fingernägeln? Ausgerechnet eine Frau wie du? Niemand würde auf so was reinfallen! Niemand …
    »Heller?« Das war Auerbach. Endlich. Offenbar hatten Verhoeven und er zu einem wie auch immer gearteten Konsens gefunden. »Da ist was faul. Wir brechen die Aktion ab. Haben Sie verstanden?«
    »Machen Sie, dass Sie da rauskommen«, ergänzte Verhoeven mit einer Stimme, die in Winnie Hellers sensibilisierten Ohren geradezu alarmierend besorgt klang. »Sofort!«
    Raus, dachte sie. Okay. Nichts lieber als das!
    Sie griff nach ihrem Krokotäschchen und erwog in aller Eile die Alternativen. Noch konnte sie so tun, als habe sie ihren Kontaktmann nicht bemerkt. Sie konnte sich unauffällig unter die Tanzenden mischen, und wenn sie Glück hatte, würde sich dabei irgendwann eine Gelegenheit zur Flucht ergeben. Sie stand auf und bemühte sich, noch kleiner zu wirken, als sie mit ihren knapp eins vierundsechzig ohnehin schon war. Bloß nicht zu schnell, mahnte eine Stimme in ihrem Kopf. Geh langsam. Falls sie dich sehen, müssen sie denken, dass du einfach nur die Schnauze voll hast und nach Hause willst. Heim zu deinem Mann und dem Rest von deinen bulgarischen Grabbeigaben.
    Als sie wieder einmal für einen kurzen Moment den Ausgang sehen konnte, bemerkte sie, dass einer der Begleiter ihres Kontaktmannes neben der Tür Position bezogen hatte. Sie sah ihn nur flüchtig, bevor sich das Menschengewimmel, das sie trennte, wieder schloss wie ein Vorhang, den jemand für
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