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Querschläger

Querschläger

Titel: Querschläger
Autoren: Silvia Roth
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kurze Zeit beiseitegeschoben hatte. Doch nichtsdestotrotz hatte sie den Eindruck, dass der Kerl mit Absicht dort stand. Vielleicht hatte er Order, sie aufzuhalten. Vielleicht würde er …
    In wachsender Panik blickte sie sich nach Heino um, doch sie konnte ihn nirgends entdecken. Und auch Baranovic war irgendwo im Gewimmel der Menge verschwunden. Ich muss die verdammte Wanze loswerden, fuhr es ihr durch den Sinn. So schnell wie möglich! Wenn sie herausfinden, dass ich verkabelt bin, ist alles aus.
    Aber wie?
    Wie, verdammt noch mal?
    Die Toiletten, dachte sie. Schnell!
    Sie machte auf dem Absatz kehrt und schlängelte sich an einem eng umschlungenen Pärchen vorbei. Nicht rennen, mahnte die Stimme in ihrem Kopf. Du darfst um Himmels willen nicht zu schnell sein. Sonst schöpfen sie Verdacht. Also geh langsam, verdammt noch mal. Geh einfach ganz normal!
    »Heller, wo bleiben Sie?« Auch Auerbachs Stimme verströmte nun nicht mehr die gewohnte Ruhe. »Brauchen Sie Hilfe?«
    Sie schob sich weiter. Nicht umdrehen. Nicht rennen. Einfach weiter …
    »Verdammt noch mal, Heller!« Er schrie jetzt beinahe, und seine Stimme schnitt ihr ins Ohr, dass es wehtat. »Reden Sie mit mir, oder wir kommen auf der Stelle rein.«
    Nein, dachte sie, nicht reinkommen! Auf keinen Fall! Dann war die Sache ein für alle Mal vergeigt, und wer würde wohl am Ende als derjenige dastehen, der das Ding vermasselt hatte? Oh nein! Winnie Heller versuchte zu schlucken, doch ihre Kehle war wie ausgedörrt. Sie wusste viel zu genau, wie das lief!
    2
    »Negativ«, wisperte sie in ihren Ausschnitt. »Ich habe die Sache im Griff, okay?« Sie war sich keineswegs sicher, was das betraf, aber sie wollte auch nicht riskieren, dass das mühsam gesponnene Netz riss, nur weil sie überängstlich reagierte. »Bleiben Sie, wo Sie sind«, wiederholte sie vorsichtshalber. »Ich melde mich wieder.«
    Morgen ist der Tag der Tage!
    Die Waffen stecken schon in meinem Rucksack neben der Tür. Ein Jagdgewehr und eine Glock 17. Dieselbe Waffe, wie Robert Steinhäuser sie damals in Erfurt benutzt hat. Das finde ich irgendwie fast stilvoll. Nicht, dass ich eine große Auswahl gehabt hätte, ich musste nehmen, was im Angebot war. Aber stilvoll ist es trotzdem.
    Genau wie der Rest meiner Ausstattung. So nenne ich es immer, wenn ich mit Devil darüber philosophiere, wie ich in die Geschichte eingehen werde: eine Ausstattung. Ich finde, das klingt so richtig schön altmodisch, AUSSTATTUNG, ein Wort aus einer Zeit, in der Frauen schon an ihrem zwölften Geburtstag damit begonnen haben, sich Haushaltsgegenstände und Bettlaken und all so ’n Zeug zu wünschen, in das sie dann in den nächsten sechs, acht Jahren Abend für Abend irgendwelche bescheuerten Monogramme oder Blütenranken oder so was alles sticken konnten. Und das nur, damit sie sich auch mit vierzig noch daran erinnern, wem die Bettwäsche gehört, in der sie einmal in der Woche die Beine breit machen müssen.
    Oder verwechsle ich da was?
    AUSSTATTUNG …
    Nein, ich glaube, das Wort, das ich meinte, ist AUSSTEUER. Aber scheiß drauf! Meine Deutschlehrerin ist sowieso der Meinung, dass ich das nie auf die Reihe kriege mit meiner Muttersprache. Aber da wirst du schön blöd aus der Wäsche gucken, Ringstorff, wenn ich morgen von oben bis unten in Schwarz gekleidet durch die Tür zum Lehrerzimmer stürme und dir dann ganz deutsch und genüsslich das Hirn weg puste! Und eigentlich ist es direkt schade, dass du keine Ahnung hast, wer dich da ins Nirwana schickt …
    Aber wer weiß, vielleicht verrate ich’s der alten Schlampe, bevor ich abdrücke. Denn dann kann sie ihr Wissen ja sowieso nicht mehr weitergeben, und sie steht doch so sehr auf den Blick hinter den Spiegel!
    »Transzendenz« ist eins von ihren Lieblingswörtern. Die Grenzen der menschlichen Erkenntnis überschreiten und so weiter und so fort. Echt, diesen Müll will sie in jeder verdammten Klausur lesen, sonst gibt’s schon von vorneherein bloß ’ne Drei oder Vier, von wegen Thema verfehlt, ganz egal, wie gut die Ideen sind, die man stattdessen gehabt hat. Und mit einer Vier sind Sie noch mehr als gut bedient, Herr Hrubesch, sagt sie dann immer, und dabei grinst sie dieses superabfällige Grinsen, das so arrogant ist, dass dir echt das Kotzen kommt. Und erst diese Scheißanrede mit »Sie« und »Herr« und diesem ganzen Mist, der vortäuschen soll, dass sie dich für voll nimmt, obwohl sie in Wahrheit keinen Funken Respekt vor dir hat.
    Herr Hrubesch
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