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229 - Flashback

229 - Flashback

Titel: 229 - Flashback
Autoren: Susanne Picard und Michael Schönenbröcher
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Doch bevor er eine Antwort auf diese Frage suchte, musste erst der Kontrolldurchlauf beendet werden. Er musste wissen, was noch funktionierte und was nicht. Denn eines stand fest: Irgendetwas hatte es geschafft, von einem Moment auf den anderen all seine elektronischen Bauteile auszuschalten. Hätte er den Rest seines menschlichen Denkens nicht unterdrückt, vielleicht wäre er sogar in Panik verfallen bei dieser Erkenntnis.
    Das Ergebnis des ersten Systemchecks erschien vor seinen optischen Sensoren. Und auf einmal rückten die unerwünschten Emotionen wieder ins Zentrum seiner Wahrnehmung. Miki Takeo fiel es schwer, die Ergebnisse zu verarbeiten, die vor seinem optischen Sensorium blinkten. Erneut verstrich eine gefühlte Ewigkeit.
    Ist es Furcht, die mich diese Daten nicht verarbeiten lässt? Takeo rief sich zur Ordnung. Er war immer bemüht gewesen, den letzten Teil seiner Menschlichkeit nicht zu verlieren, und irgendwie war ihm das sogar gelungen, auch wenn sein organisches Gehirn längst einem Massenspeicher gewichen war. Aber momentan waren Emotionen eher hinderlich. Mit kühler Berechnung und Logik kam er schneller voran.
    Der Teil seiner selbst, der dank elektronischer Schaltkreise funktionierte, wusste jenseits aller Kontrollen und Angaben, dass nur wenige Sekunden vergangen waren, seit er den Systemcheck begonnen hatte, und dass es nichts zu fürchten gab. Er würde also in jedem Fall mit der Situation fertig werden.
    Todesangst war für einen Androiden wie ihn nicht relevant.
    Er kontrollierte und analysierte die Daten, die der Systemcheck als Ergebnis ermittelt hatte.
    Die Außentemperatur lag bei 25 Grad Celsius, die Luftfeuchtigkeit bei 60 Prozent. Richtung, Intensität und Winkel der Lichteinstrahlung ließen vermuten, dass es früher Abend war. Keine größeren Lebensformen waren in der Nähe registriert worden. Keine Gefahr also, während eines gründlicheren Checks angegriffen zu werden.
    Miki Takeos Kopf, der das neuronale Netzwerk und den Gedächtnisspeicher enthielt, war ebenfalls weitgehend unbeschädigt. Eine Delle an der hinteren Hirnschale war kein größeres Problem, auch nicht die halb eingerissene Augenhöhle. Bis die entsprechenden Reparaturen vorgenommen werden konnten, würden die Schäden keinen Einfluss auf die Systeme haben. Auch im Rumpf schienen alle Anschlüsse, Drähte und Kabelagen bis auf kleinere Ausfälle intakt.
    Die umgebende Fauna weist im Vergleich zu meinen letzten Erinnerungen keine signifikanten Veränderungen auf. Ich befinde mich also noch immer westlich des Kratersees in Zentralasien. [1] Mein autarkes Chronometer verzeichnet ebenfalls keine verstrichene Zeit: 18. Oktober 2521, 7:39 Uhr Ortszeit, 0:39 Uhr UTC.
    Da dieser Zeitmesser unabhängig von den anderen Systemen funktionierte und auch bei einem Komplettausfall aller restlichen Einheiten weiterlief, zog Miki Takeo den Schluss, dass er nur wenige Sekunden bewusstlos gewesen sein musste.
    Bewusstlos. Als wäre ich noch ein Mensch, dachte er beinahe belustigt. Meine Gedächtnisspeicher waren wirklich komplett ausgefallen. Eine gänzlich neue Erfahrung. Aber das zeigt wieder, dass meine Systeme längst nicht perfekt sind. Es gibt noch viel zu verbessern.
    Er empfand eine vage Zufriedenheit darüber, dass er den Totalausfall so gut überstanden hatte – auch dies ein menschliches Gefühl. Seine Emotionen hatte er sich trotz aller Virtuosität, mit der er nach und nach jeden Teil seines biologischen Körpers durch möglichst perfekte elektronische Komponenten ersetzt hatte, immer bewahrt. Manchmal war es gut, diese Reste von Menschlichkeit in seine Handlungen einzubeziehen. Was sie bewirkten, im Positiven wie im Negativen, stellte sich im Nachhinein oft als sinnvoll heraus.
    Und manchmal als tragisch, dachte er, als ihm unvermittelt die Geschehnisse um Rea und seine U-Men-Forschung im Jahr 2509 in den Sinn kamen – und er sie rasch wieder verdrängte. [2]
    Nun, zumindest sind meinen internen Systeme damit vollstän-
    Nein. Er hielt inne. Nicht vollständig. Seine unteren Extremitäten hatten keine Rückmeldung gegeben. Ein Ausfall der Elektronik? Ein Verbindungskabel, das sich gelöst hatte?
    Er versuchte seine Beine zu bewegen, doch der Impuls schien nichts zu bewirken. Ruckartig stemmte er sich hoch, um zu überprüfen, was da los war…
    Und wieder schien sein Zeitgefühl für eine unbestimmte Zeit auszusetzen, als er begriff, was seine optischen Sensoren erfassten.
    Da waren keine Beine mehr.
    ***
    Waashton,
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