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Totenpech

Titel: Totenpech
Autoren: Tanja Pleva
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ähnlich gestaltet war wie der
untere, ob sich der Eigentümer dort oben auch eine Zauberwelt geschaffen hatte,
als zwei Beamte mit einem jungen Mann in einer durchlöcherten Jeans, das weiße
Oberhemd in aller Eile schief zugeknöpft, in Handschellen die Treppe
herunterstiegen.
    Â»Non ho fatto niente … non ho fatto niente«, sagte der vermeintliche
Mörder zu den Beamten abwechselnd nach links und nach rechts. Dann fiel sein
Blick auf den nackten Leichnam in der roten Blutlache. Seine Augen weiteten
sich, anscheinend begriff er erst jetzt den Ernst der Lage. Er versuchte, sich
aus den Griffen der Beamten herauszuwinden, und rief dann jammernd: »No, la
prego, non sono stato io. Non è colpa mia!«
    Sam sprach kein Italienisch, aber er ging davon aus, dass der junge
Mann mit dem verzweifelten Gesichtsausdruck den Beamten klarmachen wollte, dass
er nichts mit dem Mord zu tun habe. Worte, die Sam von anderen Tätern an die
tausend Mal gehört hatte. Er winkte Alfred kurz zum Abschied zu und verließ den
Tatort. Das letzte Stück joggte er nicht mehr, sondern ging auf dem kürzesten
Weg nach Hause. Er war aus dem Rhythmus, der Schweiß getrocknet, sodass er sich
nur noch auf die warme Dusche freute und auf das, was zu Hause auf ihn wartete.

3. KAPITEL
    Lina rekelte sich im Bett, als Sam mit einem Handtuch um
die Hüfte wohlriechend nach Duschgel und Shampoo aus dem Badezimmer kam. Er
strich mit beiden Händen seine nassen schwarzen, leicht gewellten Haare zurück,
die an den Seiten bereits erste Anzeichen von Weiß zeigten, und präsentierte
somit ungewollt seinen prachtvollen Oberkörper.
    Er hätte ein Modell für das Parfum Acqua di Giò sein können, dachte
Lina, klopfte mit der flachen Hand auf die leere Bettseite neben sich und
lächelte ihn verführerisch an.
    In zwei Stunden würde sie wieder auf dem Weg nach Hamburg sein, wo
sie ihrer rechtschaffenen Tätigkeit als Sprechstundenhilfe nachging. Die beiden
hatten sich damit abgefunden, dass sie sich nur an den Wochenenden sahen, und
genossen deshalb jede Sekunde, die sie zusammen sein konnten.
    Meistens kam Lina nach München, weil Sam ein regelrechter
Reisemuffel war und ihr lieber das Ticket bezahlte, als dass er seine eigenen
vier Wände verließ.
    Sie schmiegte sich an ihn und küsste seine kalte, noch feuchte
Brust, während er über ihr seidenweiches Haar strich.
    Â»Warum ziehst du nicht nach München?«, fragte Sam und küsste sie auf
die Stirn.
    Â»Ach, Corazón, du weißt doch, dass ich meine Mama nicht alleine im
Restaurant lassen kann. Außerdem habe ich meine Arbeit in Hamburg, und dann …«
    Â»Was und dann?« Er hörte abrupt auf, ihr Haar zu streicheln. »Du
arbeitest doch nicht immer noch als Medium, Lina?«
    Lina zögerte eine Sekunde zu lang, bevor sie verneinte und im
gleichen Augenblick wusste, dass er die Lüge durchschaute. Diese Lüge stand nun
im Raum, aber Sam sagte kein Wort, was noch schlimmer war, als hätte er sie angebrüllt.
Er erhob sich und zog sich an.
    Â»Verdammt, Sam, was ist so schlimm daran? Ich helfe anderen Menschen.«
    Â»Ich helfe anderen Menschen«, äffte er sie nach. »Und wie? Indem du
mit Geistern sprichst? Du weißt genau, was ich davon halte, Lina. Nämlich
nichts. Gar nichts.« Die letzten Worte brüllte er ihr entgegen. Dann nahm er
ihr Gesicht in beide Hände und sagte in besorgtem Ton: »Sieh dich an. Du hast
dunkle Augenringe, bist ständig krank. Sie fressen dich auf, saugen deine
Energie aus. Hör auf damit!«
    Â»Du hast ja keine Ahnung, Sam.«
    Â»Nein, ich bin ein totaler Kretin, ein Blödmann. Erinnere dich an
letztes Jahr, als dieser Irre …« Sam brach mitten im Satz ab. Lina war letztes
Jahr aus ihrer Wohnung von einem Serienmörder entführt worden und nur knapp dem
Tod entronnen. Dass sie noch am Leben war, hatte sie Sam und seinem damaligen
Kollegen Juri zu verdanken, die den Fall bearbeitet hatten. Allerdings wusste
sie bis heute nicht, was ihre Entführung letztes Jahr mit ihrer Arbeit als
Medium zu tun hatte. Sam hatte sich über das Thema ausgeschwiegen. Er warf ihr
einen traurigen Blick zu, zog seinen schwarzen Ledermantel über, setzte seine
schwarze Schirmmütze auf und sagte kalt: »Weißt du was? Mach, was du willst.«
Mit diesem Satz verließ er die Wohnung und ließ Lina allein zurück, obwohl
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