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Totenpech

Titel: Totenpech
Autoren: Tanja Pleva
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genauem Hinsehen die steinernen Köpfe mit den offenen Mündern, die aus dem
Mauerwerk hervortraten, als würden sie sich mit aller Kraft daraus freikämpfen
wollen.
    Er wollte gerade weiterlaufen, als er hinter sich jemanden
schmatzend fragen hörte: »Sam? Sam O’Connor?«
    Sam drehte sich um und sah direkt auf die Hälfte eines grünen
Apfels.
    Â»Was machst du denn hier?«, brachte Sams früherer Arbeitskollege
kauend über die Lippen und lachte dabei, sodass Teile des bereits zermalmten
Apfels in seiner Mundhöhle sichtbar wurden.
    Â»Alfred Niemann, alias Wilhelm Tell … Unglaublich. Die Frage gebe
ich zurück«, sagte Sam, wischte sich den Schweiß von der Stirn und hoffte, dass
er seine Überraschung überzeugend gespielt hatte, denn er hatte bereits vor Wochen
gehört, dass Alfred Niemann zum Schrecken aller, die ihn kannten, wieder nach
München versetzt werden sollte.
    Â»Du hast also meinen Spitznamen nicht vergessen.« Er hob den Apfel
in die Luft und lachte erneut. »Bin seit einem Monat wieder in der Heimat. Seit
einer Woche wieder bei unserem alten Dezernat. Meine Frau wollte nach München
zurück. Hannover war uns dann doch zu nordisch, als alteingesessene Bayern. Wie
lange hast du noch Urlaub?«
    Â»Eine Woche«, sagte Sam, während er wieder zum Haus hinübersah. Er
überlegte, ob er sich verabschieden und einfach weiterlaufen sollte, fand es
aber irgendwie unhöflich und fragte deshalb: »Und? Was ist hier passiert?«
    Â»Na, soviel ich bisher beurteilen kann, ist es ein eindeutiger Fall.
Stricher bringt Freier um, gleiche Story wie bei Mosi und Versace, nur dass es
dieses Mal keinen Modefuzzi getroffen hat, sondern einen stinkreichen Verkäufer
von Luxusjachten. Aber du musst dir mal das Haus von innen ansehen. So etwas
hast du noch nie gesehen und wirst es auch nie wieder. Hab mir nur einen Apfel
geholt, dabei kann ich besser denken, weißt du.«
    Alfred Niemann hatte vor fünfzehn Jahren bereits ein paar Jahre bei
der Mordkommission München gearbeitet, als Sam als frisch gebackener
Tatortanalytiker und Profiler dazugestoßen war. Damals war sein Kollege dünn
und schlaksig gewesen, heute hatte er gut dreißig Kilo mehr auf den Rippen.
Sein volles schwarzes Haar hatte er zu einem kleinen Pferdeschwanz im Nacken
zusammengebunden, und Sam musste feststellen, dass er trotz seiner Anfang
fünfzig nicht ein einziges graues Haar hatte, im Gegensatz zu ihm, der beinahe
zehn Jahre jünger war.
    Passend zu Bayern trug Alfred Niemann einen grünen Janker, eine
Trachtenjacke aus gewalkter Wolle mit gestickten Edelweißblumen auf der Brust,
eine Jeans und ockerfarbene Timberland-Stiefel. Er sah eher danach aus, als
würde er in die Berge zum Jodeln fahren, statt einen Tatort zu analysieren.
    Â»Weißt du, ich wollte gerade nach Hause, wohne ein paar Straßen
weiter, und außerdem habe ich …«
    Â»Nun komm schon«, unterbrach Alfred ihn, »du musst dir das Haus
ansehen. Das sieht man wirklich nur einmal im Leben«, und schob Sam bestimmend
Richtung Gartentor.
    Sam war verschwitzt, sein Pullover klebte ihm am Körper. Außerdem
mochte er es gar nicht, wenn man der Meinung war, dass ihn etwas interessieren
sollte, und ihn zu etwas drängte, wenn er es nicht wollte. Er stieß einen Seufzer
aus, nahm mürrisch den weißen Schutzanzug entgegen, den alle Mitarbeiter der
Spurensicherung anziehen mussten, um eine Verunreinigung des Tatortes durch
eigene Fasern, Hautpartikel und Haare zu vermeiden.
    Er zog ihn sich über und folgte Alfred Niemann zögernd.
    Im Eingang stand ein Beamter, der die Daten einer überaus nervösen
älteren Frau aufnahm.
    Â»Ihren vollständigen Namen bitte.«
    Â»Hil… Hilde Rehbein.«
    Â»Anschrift und Telefonnummer.«
    Â»Wozu? Ich meine, ich wollte doch nur die Katzen füttern«, sagte
Frau Rehbein mit zitternder Stimme.
    Â»Formsache, Frau Rehbein. Mehr nicht«, erwiderte der Beamte in
gelangweiltem Ton.
    Der Beamte schob die Frau ein Stück vom Hauseingang weg, um Sam und
Alfred Niemann durchzulassen. Dann machte er sich weitere Notizen in seinen
Block.
    Â»Na, was sagst du?«
    Alfred Niemann hatte als Erster das Haus betreten, so dass er nicht
das verblüffte Gesicht von Sam sehen konnte, der sprachlos war. Sam hatte in
der Tat noch nie dergleichen gesehen. Das Haus präsentierte sich als Mischung
aus
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