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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt
Autoren: Gregory Benford
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Sie begruben den großen König, als das Scharlachrot im Westen verblich. In der Grabkammer legten die heiligen Männer den eingeölten und gewachsten Leichnam auf sein hölzernes Ruhebett. Die Prozession derer, die das Totengeleit gegeben hatten, verharrte wartend. Ein Falke kreiste am dunkelnden Himmel, flatterte auf der Stelle und stieß auf die Beute herab. Das Dorf in der Talsenke war ein regelloses Durcheinander brauner Hütten. Leute standen auf den Gassen und bestaunten den Fackelzug, der in Kehren den Hang hinaufzog.
    Im Innern der Grabkammer verschlossen die Priester und ihre Helfer den schmucklos behauenen Stein hinter der Innenwand der Grabkammer. Es war ein übernatürliches Ding, das summte und einen immerwährenden unheimlichen Lichtschein durch das Bernsteinornament dringen ließ. Der Wohnsitz eines Gottes oder eines dämonischen Ungeheuers.
    Einige aus dem Gefolge hatten die Meinung geäußert, es solle im Ort aufbewahrt und verehrt, nicht aber mit dem König begraben werden. Doch der König hatte befohlen, daß es in seine Grabstätte gebracht werde. Um sein Volk vor dem fleckigen, fiebernden Tod zu bewahren, hatte er gesagt.
    Ein hohler, unverständlicher Ruf drang aus dem Innern, gefolgt von heftiger Bewegung. Männer kamen aus der hohen Türöffnung gestürzt, die Augen aufgerissen, den Mund verzerrt.
    »Tod vom Stein!« rief eine Stimme.
    Unzusammenhängende Schreie waren die Antwort.
    »Verschließt die Grabkammer!« rief ein Priester laut vom Eingang.
    Die schwere eichene Tür wurde zugeschlagen.
    »Nein! Mein Sohn ist noch drinnen!«
    »Zu spät!« erwiderte der Priester. »Laßt zurück, die der Stein zu Boden gestreckt hat!«
    »Mein Sohn! Du kannst ihn nicht…«
    »Versiegelt die Tür!«
    Die dicken Riegel wurden vorgeschoben, die Türritzen mit Pech verschmiert. Dann fingen die Arbeitstrupps damit an, den langen, korridorartigen Zugang zum Kuppelgrab mit Sand und Geröll zuzuschütten. Diese abschließende Arbeit war geplant, aber nun schaufelten sie wie rasend, angetrieben von panischem Schrecken.
    Der Priester und sein Gefolge eilten wild blickend und gestikulierend den Hang hinab und riefen der verstörten Gemeinde zu, was geschehen war: »Die Werkleute setzten die Deckplatte ein, als es geschah. Sie arbeiteten rasch, versahen die Platte mit Mörtel und setzten sie ein. Aber etwas…« Der Priester schnappte nach Luft. »Es ist zum Besten. Sie sind jetzt alle von uns gegangen. Das Volk ist sicher, wie unser König es wollte.«
    Die Arbeiter oben am Hang füllten den Zugangsweg mit dem Aushub, den sie bei seiner Anlage zu beiden Seiten angehäuft hatten. Bald würde er ganz eingeebnet sein und der Hang des Höhenrückens, unter dem sich das Kuppelgrab verbarg, unberührt scheinen.
    »Nein! Bitte! Ich flehe euch an, öffnet für einen Augenblick nur! Ich werde…«
    Erschöpfung zeichnete das weise Gesicht des Priesters. »Der Stein ist in die Unterwelt zurückgekehrt, wo der König ihn fand. Wir müssen ihn dort lassen. Er wird den Menschen keinen Schaden mehr zufügen.«

 
     
     
ERSTER
TEIL



 
1
     
    Tief im Innern der Grabkammer war das Motorengeräusch des näherkommenden Fahrzeugs nur schwach zu hören.
    »Das wird Kontos sein«, sagte George und legte den Greifzirkel aus der Hand.
    »Hört sich aber nicht nach seinem Wagen an.« Aber Claire drückte vorsichtshalber auf die Speichertaste des Eingabegeräts für ihr Computerinventar.
    »Wer sonst würde hier herauskommen? Dieser Schwachsinnige von der Gewerkschaft?«
    »Möglich.«
    »Kann ich mir nicht denken. Ich wette, es ist Kontos.«
    »Warte einen Augenblick!«
    Claire schaltete das Inventurprogramm aus. Sie verglich die letzten Katalognummern von Keramikscherben mit dem Ausdruck, ein mühsames Geschäft. Das Feldinventar war ein Wunderding – ein zylindrisches Magazin mit Mikrodisketten, das in den tragbaren Datenanschluß eingesetzt werden konnte. Knapp von der Größe eines Wasserglases, enthielt es die archäologischen Daten von sechs Monaten Arbeit.
    Sie wischte sich die Hände ab und ging hinaus auf die Schwelle des hohen steinernen Eingangs, wo die Vormittagssonne schien. Jeder Tag war jetzt ein wenig kühler als der vorausgegangene, und sie dachte in Liebe der grünen Lauben entlang den Ufern des Charles River, des stillen, glasigen Wassers und des frischen Rotes der Backsteinmauern. Sie war der Farben Griechenlands überdrüssig, so klar und durchsichtig sie auch sein mochten. Landeinwärts spießten junge
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