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Tote lieben laenger

Tote lieben laenger

Titel: Tote lieben laenger
Autoren: Scott Nicholson
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zurück, in die Stadt der Engel.
    ***

12.
    Lee hat einen kleinen Innenhof vor ihrem Apartment in La Brea. Sie nimmt es auf sich, dort Blumen wachsen zu lassen, um ein wenig natürliche Farbe zu all dem Asphalt, Beton und Neon hinzuzufügen, die den Großteil des Pazifischen Beckens beherrschen. Ihr Daumen ist so grün, dass nicht einmal der Smog ihren Garten töten kann. Akeleien, Schnittblumen, Ringelblumen, Veilchen, alles kein Problem für sie.
    Ich war froh, dass ich die Blumen nicht zertreten musste. Ich driftete, dünn wie ein Wind vom Pazifik, zum Fenster. Ich nahm einen tiefen Atemzug, erinnerte mich daran, dass ich das Atmen vor einiger Zeit aufgegeben hatte, und guckte durch das Fenster.
    Ein Mann mit einer Pistole stand hinter Lee. Sie war dabei, etwas auf ein Stück Papier zu schreiben, wahrscheinlich gegen ihren Willen. Ihr Gesicht wirkte ruhig, von ihren bebenden Lippen abgesehen. Ihre Augen waren verquollen vom Weinen, aber ich war mir sicher, dass die Tränen meinem Tod und nicht ihrem eigenen gegolten hatten.
    Haben Sie jemals erfahren, was es heißt, geliebt zu werden? Das gelingt nicht vielen Menschen. Ein Mangel an Glauben hatte jeden meiner Schritte als Sterblicher begleitet, sogar dann, wenn wunderbare Frauen ihre ganze Liebe zum Ausdruck brachten. Wenn sie ihre Herzen und Seelen öffneten und mich dazu einluden, mich daran gütlich zu tun. Ohne jegliche Bedingungen. Selbst dann zweifelte ich immer noch. Doch nun, in diesem Moment, als ich meine Liebe weinen sah, mit meinem Foto auf dem Tisch umgeben von einem Haufen benutzter Taschentücher, da hatte ich Gewissheit.
    Mein Gott, sie war wunderschön. Ich hatte befürchtet, dass mich ihr Anblick auslaugen und mein ätherisches Gewebe in existentielle Fetzen reißen würde. Stattdessen war ich erregt, aufgefrischt, angetrieben von Zorn und Liebe und der Hoffnung auf eine gemeinsame Ewigkeit.
    Hoffnung. Da war sie wieder.
    So groß und wahr, dass sie nicht mal ein Aufschneider wie ich leugnen konnte.
    Ich ging durch die Wand.
    Genau in Diana hinein.
    Es war nicht nur so, wie wenn man eine ehemalige Geliebte auf der Straße trifft und mit verlegenem Lächeln vom "Wie geht's dir?" zum "Bis dann" schreitet, mit kaum etwas dazwischen.
    Nein, ich war in ihr, tiefer in sie hinein gesunken als jemals während unserer gemeinsamen Schlafzimmerakrobatik.
    Ich muss zugeben, meine Vorstellung von der Liebe war eher oberflächlich gewesen, und mein einziger Ausdruck von Zuneigung bestand darin, dem einen Teil von mir zu folgen, der immer über eine Steilklippe hinaus zu weisen schien. Ich hatte meine Begegnungen mit Wundern gehabt, und ich schätzte sie alle, obwohl ich nie jemanden respektieren konnte, der blöd genug war, auf mich hereinzufallen.
    Deshalb warf mich diese heftige, plötzliche Intimität völlig aus der Bahn. Diana hatte es nie bis in meine Gedanken geschafft, zumindest nicht bis zu einer wirklichen Tiefe, und nun war sie hier im Fleisch meines Geistes, ihr ätherisches Gewebe mit meinem verwoben, zwei Engel, die auf dem gleichen Nadelkopf tanzten.
    "Wir müssen reden", sagte/dachte/schrie/flüsterte Diana.
    "Was machst du hier?"
    "Ich habe versprochen, dass ich dein Leben zur Hölle machen werde. Warum soll ich damit aufhören, wenn es anfängt, Spaß zu machen?"
    Ich blickte zu Lee hinüber, die immer noch schrieb. Und der Schurke mit der Kanone schien unbeeindruckt zu sein. Diana und ich mussten unsichtbar sein.
    "Verzieh dich aus meinem verdammten Kopf", sagte ich.
    "Komm schon, Liebling. Du hast gesagt, dass ich deine Seelenverwandte bin, erinnerst du dich? Und jetzt, wo das buchstäblich so ist, bekommst du kalte Füße."
    "Weil meine Füße seit ein paar Tagen tot sind."
    Ich versuchte sie abzuschütteln, wie man einen Hausaffen von seinem Rücken abschüttelt, aber sie war mit Klebeband an mein innerstes Wesen gefesselt. An den dunkelsten, schwärzesten Teil davon.
    Ich erinnerte mich an etwas, das meine Sachbearbeiterin gesagt hatte, über Reue und das Verbrauchen zweiter Chancen. Und das große Etwas, vor dem ich davonlief.
    Schuld.
    Hier, im Mausoleum meines Herzens, war der Sarg namens "Diana" voll mit der madigsten, beleibtesten Fäulnis, die man sich vorstellen konnte. Ich hatte gedacht, dass ich ihn eingemauert hatte, dass er so tief begraben war, dass der Gestank niemals hervortreten konnte.
    Gut, ich hatte sie nicht getötet. Sie hatte diesen Schritt selbst gewählt, in Übereinstimmung mit dem kosmischen Leitfaden ihrer Wahl.
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