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Lacunars Fluch, Teil 4: Rastafans Buße (German Edition)

Lacunars Fluch, Teil 4: Rastafans Buße (German Edition)

Titel: Lacunars Fluch, Teil 4: Rastafans Buße (German Edition)
Autoren: Jutta Ahrens
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1
    Anamarna trat aus seiner Hütte und sah den beiden Männern entgegen, die den Weg von der Quelle heraufkamen. Der Ältere stützte sich widerstrebend auf den Jüngeren, und sobald er Anamarna erblickte, machte er sich unwillig von seinem Begleiter los. Der Junge war Aven, Anamarnas Schüler, und der andere Mann war Rastafan, König von Jawendor. Sein Ross trottete in einigem Abstand hinter ihm her.
    Anamarnas sorgenvoll gefurchte Stirn glättete sich bei dem Anblick. Lächelnd erwartete er die beiden und wies mit einer einladenden Handbewegung auf die alte, moosbewachsene Bank aus Eichenholz, die schon lange Wind und Wetter getrotzt und vielen Besuchern zur Rast gedient hatte, doch noch nie einem König. Aber weder Anamarna noch sein Schüler Aven begegneten ihm mit besonderer Ehrfurcht. Sie behandelten jeden Besucher mit der gleichen Freundlichkeit. Das war Anamarnas Gesetz. An der Kurdurquelle gab es keine Standesunterschiede.
    »Rastafan! Mein König! Setzt Euch. So ein Missgeschick. Kaum findet Ihr den Weg zu mir, fallt Ihr auch schon in einen Graben. Wenn Aven nicht Euer Pferd gesehen hätte …«
    Rastafan verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen. »Behandelt mich nur nicht wie einen Schwerkranken. Ich bin nicht zum ersten Mal in meinem Leben gestürzt.« Dennoch ließ er sich auf der Bank nieder. Dabei sah er sich lauernd nach allen Seiten um, aber er erblickte nur einen Esel, der sich über saftigen Löwenzahn hermachte. Dann befühlte er seinen Kopfverband. Die Wunde an seiner Schläfe schien nicht mehr zu bluten, nur der pochende Schmerz war noch da, und es war ihm etwas schwindlig, doch das hätte er nicht zugegeben.
    Aven verfolgte Rastafans Blicke. »Das ist mein Esel«, sagte er schnell. »Laila heißt sie.« Er gab Rastafans Tier einen Klaps, und es bewegte sich zu Lailas Futtergründen. »Und wie heißt Euer Pferd?«
    Rastafan stutzte kurz. »Haytan.«
    »Geh Aven«, sagte Anamarna. »Bring unserem Besucher etwas zu essen und einen Becher Kurdurwasser. – Oder wollt Ihr lieber ein Bier?«, wandte er sich an Rastafan.
    »Wasser und dann – Ihr habt auch Bier?«
    »Nur für Besucher. Aber ich würde Euch mit Eurer Kopfwunde jetzt nicht zu Bier raten.«
    Rastafans Blicke klebten an der Hütte. »Habt Ihr noch anderen Besuch?«
    »Nein, Ihr seid der erste Gast seit Tagen. Erzählt doch, was treibt Euch her? Erlöst einen alten Mann von seiner kindischen Neugier. Oder wollt Ihr vor dem Essen ein wenig ruhen? Mit Kopfverletzungen ist nicht zu spaßen.«
    »Das ist gar nichts«, brummte Rastafan.
    Aven erschien in der Tür. »Von wegen gar nichts. Er war bewusstlos, und als er aufwachte, hatte er Erscheinungen.«
    Anamarna hob scheinbar besorgt die Brauen. »Ach! Das ist bedenklich. Ihr solltet Euch doch besser hinlegen. Euer männlicher Stolz wird nicht darunter leiden, glaubt mir.«
    »Es war keine Erscheinung!«, widersprach Rastafan heftig. »Ich habe jemanden gesehen. Vor dem Sturz.«
    »So, wirklich? Nun, die Quelle ist jedermann zugänglich, wenn auch nicht eben leicht zu erreichen, sofern man wie Ihr den Weg durch das sumpfige Gelände nimmt. Natürlich kann sich dort jemand aufgehalten haben …«
    »Es war Jaryn!«, stieß Rastafan hervor. Er hatte es bei sich behalten wollen, aber er konnte einfach nicht anders, er musste es aussprechen.
    »Jaryn?« Anamarna lächelte milde. »Ich weiß, dass Ihr unter Eurer Tat leidet, aber Ihr seid kein Träumer. Ihr wisst, dass er es nicht sein konnte.«
    »Er sah ihm so verflucht ähnlich!«
    »Oh, ich kenne das. Früher, als ich noch rüstiger war und herumwanderte, da begegneten mir viele Menschen, und immer wieder erinnerte mich der eine oder andere an einen lieben Verstorbenen. Man trägt diese Bilder in sich und glaubt, sie in anderen wiederzufinden.«
    Rastafan erwiderte nichts. Wahrscheinlich hatte er keine andere Antwort erwartet. Aven kam mit dem Wasser. »Das Essen kommt gleich.«
    Rastafan nickte und starrte vor sich hin, doch kaum hörte er ein Geräusch, fuhr sein Kopf herum, als müsse Jaryn hinter einem Baum hervortreten und ihm zuwinken.
    »Habt Ihr etwas Dringendes mit mir zu besprechen?«, fragte Anamarna, der Rastafans Nervosität mit wachsender Unruhe beobachtete.
    »Ich? Nein, nein. Es gab ein wenig Ärger in Margan, und Suthranna riet mir, mich hier einige Tage lang auszuruhen. Ihr habt doch nichts dagegen?«
    Anamarna atmete freier. »So? Suthranna hat Euch geschickt? Das war klug von ihm, und noch klüger war es, dass Ihr
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