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Topas

Topas

Titel: Topas
Autoren: Leon Uris
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eingelöst worden war, enthielt mehrere hundert
Dokumente. Es würde Zeit erfordern, sie aus dem Russischen zu
übersetzen, und ein Studium von Monaten würde nötig
sein, um festzustellen, ob sie echt und wertvoll oder
sorgfältig gefälscht waren.
    Nach der ersten
raschen Durchsicht stellte W. Smith, der Rußlandexperte des
ININ fest, daß die meisten der Papiere mit
NATO-Angelegenheiten zu tun hatten. Das war ein vielversprechender
Hinweis, denn alle NATO-Dokumente waren numeriert, so daß man
wußte, wieviel Exemplare hergestellt worden waren und wer sie
gelesen hatte. Es konnte am Ende darauf hinauslaufen, einen Leser für alle
Papiere ausfindig zu machen und bei diesem Fischzug einen
großen Verräter innerhalb der NATO ins Netz zu bekommen.
Aber in Wirklichkeit hatte Boris Kuznetow ihnen ein gigantisches
Rätsel aufgegeben. Wer war Boris Kuznetow eigentlich? Wie
waren die NATO-Dokumente nach Moskau gekommen? Wie in allen
Nachrichtendiensten kannten auch die Chefs des sowjetischen KBG nur
wenige Namen außerhalb ihres engsten Umkreises, und was
Kuznetow wußte, behielt er für sich. Seiner Frau und
seiner Tochter hatte er offensichtlich aufgetragen, sich vollkommen
unzugänglich zu verhalten. Als Wilcox nach einem Monat noch
kein Ergebnis erzielt hatte, beschwerte er sich beim
Chef.
    »Nichts. Nicht
einmal seinen Geburtsort. Nichts.«
    »Versuchen Sie
es weiter!«
    Wilcox stieg die
Zornröte ins Gesicht. »Wenn Sie mich fragen, Mike, wir
sollten den Kerl auf der Schwelle der russischen Botschaft
absetzen.«
    »Ganz recht. Und
wir würden nie wieder einen russischen Überläufer
bekommen.«
    »Mir ist noch
nie ein so schwieriger Fall vorgekommen.«
    »Sie sind
müde, Wilcox. Nehmen Sie ein paar Tage
Urlaub!«
    Der verwirrte
Verhöroffizier brummelte etwas Abfälliges über seine
Berufswahl, aber dann entschuldigte er sich bei Nordstrom für
die mangelnde Bereitschaft, seinen Chef zu
unterstützen.
    »Wir haben
Erfahrung mit Überläufern. Sie sind wie verängstigte
Tiere, allein, wollen nur leben - oder sterben. In fremder
Umgebung. Nehmen Sie es nicht tragisch, Wilcox, er wird schon
auftauen.«             
    Michael Nordstrom
hielt sich absichtlich von der Gruppe der Verhörspezialisten
fern. Er stand als Freund zur Verfügung, als jemand, bei dem
sich Kuznetow beschweren konnte und zu dem er - möglicherweise
- Vertrauen fassen konnte. Allmählich ließ der Russe
durchblicken, daß er über viele geheime Angelegenheiten
Bescheid wußte.
    »Soll ich Ihnen
erzählen, warum der deutsche Hauptmann von Behrmann von seinem
NATO-Posten entfernt wurde? Ich will es Ihnen sagen. Er redete im
Bett zuviel darüber, wie bedeutend er sei - und über
NATO-Unterseeboote in sowjetischen
Gewässern.«
    Bei jedem Besuch
Nordstroms in Laurel versuchte der Russe, ihn mit einer neuen
Information zu verblüffen.
    »Mein lieber
Boris, Sie erzählen mir ständig Dinge, die schon den Bach
hinunter sind.«
    »Den Bach
hinunter?»
    «Ja,
überholte Nachrichten.«
    »Wie ist es dann
mit dieser?«
    Boris Kuznetow gab
eine verblüffende Vorstellung und enthüllte das
Ausmaß seiner Kenntnisse. Über eine Stunde lang
erklärte er aus dem Gedächtnis den Aufbau des gesamten
amerikanischen Geheimdienstes, gab die Namen der Abteilungsleiter,
ihrer Assistenten, der Spezialisten und der Geheimposten an. Es
stimmte alles genau.
    Sanderson Hooper, der
Chefauswerter des ININ, war ein nachlässig gekleideter
weißhaariger Mann Anfang Sechzig, den man eher für einen
Professor oder für einen verkannten Dichter gehalten
hätte. Er war es, der den Schlüssel zur Lösung des
Rätsels suchen sollte. Nordstrom hatte sich immer sehr auf
Hooper gestützt, und als sich das Geheimnis um Kuznetow
verdichtete, versuchte er, ihn zu einer Antwort zu
drängen.
    »Wie wir alle
wissen«, sagte Sanderson Hooper gelassen, »ist dieser
Kuznetow ein äußerst tüchtiger Agent von hohem
Rang, der in NATO-Angelegenheiten Bescheid weiß. Er besitzt
ein beachtliches Maß an Intelligenz.«
    »Ist er echt,
oder ist er der größte Schwindler und der beste
Schauspieler des Jahrzehnts?«
    Sanderson Hooper zog
besorgt die buschigen Augenbrauen hoch und spielte mit seiner
Tabakspfeife, die er immer bei sich hatte. »Was haben wir,
Mike? Einen Überläufer, der Unterschlupf und Schutz von
uns will. Er ist keinen Handel mit uns
eingegangen.«
    »Aber er wirft
uns ständig gerade genug Köder vor, um uns in dem Glauben
zu halten, er sei ein wichtiger Mann.«
    Hooper
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