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Die Invasoren von Ganymed

Die Invasoren von Ganymed

Titel: Die Invasoren von Ganymed
Autoren: Philip K. Dick , Ray Nelson
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I

     Gegen drei Uhr morgens läutete das Videophon auf dem Nachttisch von Rudolph Balkani, dem Leiter des Büros für psychedelische Forschungen. Es läutete lange, bevor Balkani darauf reagierte. Er war – wie so oft in letzter Zeit – erst ziemlich spät schlafen gegangen.
    »Ja – hier ist Balkani.«
     »Ich brauche ein paar Informationen«, setzte eine besorgte Stimme am anderen Ende der Leitung ein. Balkani erkannte sie als die des Vorsitzenden des UN-Sicherheitsrats. »Ich dachte, wir könnten uns ein wenig unterhalten…«
     »Machen Sie es bitte kurz«, bat Balkani. »Ich bin ein kranker Mann.«
    »Haben Sie von der Nachricht gehört?«
    »Was für eine Nachricht?« Er kratzte sein stoppelbärtiges Kinn.
     »Das Ultimatum der Außerirdischen. Es wurde von allen Fernseh- und Rundfunkstationen verbreitet…«
     »Ich verschwende meine Zeit nicht mit den Medien der Massenunterhaltung«, erklärte Balkani. »Was haben sie uns anzubieten?«
    »Wir bringen euch Frieden. Wir bringen euch die Einheit.«
     »Ersparen Sie mir das Propagandageschwätz. Ich nehme an, sie fordern die bedingungslose Kapitulation der Erde.«
     »Das ist richtig. Aber sind Sie nicht damit beschäftigt, eine neue Art von Psycho -Waffe zu entwickeln, Doktor? Könnten wir sie damit vielleicht aufhalten?«
    »Sicher«, antwortete Balkani mit einem leichten Anklang von Ironie. »Aber unglücklicherweise würden wir uns auch selbst damit treffen. Soll heißen, wir würden alles treffen, was auf diesem Planeten überhaupt ein Bewußtsein besitzt.«
     »Soweit ich die Sache begriffen habe, könnten Sie einige Menschen immunisieren, also zum Beispiel die bedeutendsten Persönlichkeiten der politischen und militärischen Führung?«
     »Noch nicht. Der einzige Schutz vor dieser Waffe wäre die radikale Psychotherapie, an der ich arbeite. Wenn Sie mir noch etwas Zeit lassen und mich mit einer genügend großen Anzahl von Freiwilligen – Sie wissen schon, wie ich das meine – für meine Experimente versorgen…«
     »Wir brauchen aber ein sofortiges Ergebnis!« rief der Vorsitzende des Sicherheitsrats aus. Es kostete ihn spürbare Anstrengung, sich wieder unter Kontrolle zu bringen. »Was schlagen Sie vor?«
     »Ich schlage gar nichts vor«, erklärte Balkani. »Ich bin nur der Medizinmann dieses Stammes, nicht der Häuptling. Ich mache die kleinen Voodoo-Puppen; aber es ist Ihre Aufgabe, zu entscheiden, ob Nadeln hineingestochen werden sollen oder nicht. Wie auch immer, ich möchte Sie um einen Gefallen bitten.«
    »Und das wäre?«
     »Wenn Sie sich entschließen sollten, es anzuwenden, dann sagen Sie es mir bitte nicht. Ich möchte es nicht wissen.« Damit unterbrach Balkani die Verbindung, drehte sich auf die andere Seite und versuchte erneut zu schlafen.
     »Zu unspezialisiert«, murmelte Mekkis, während er den gefangenen Menschen mit Widerwillen beäugte. »Aber mit selektiver Züchtung könnte man vielleicht…«
     Der Terminator flatterte dicht an Mekkis’ Ohr heran und erklärte mit sanfter Stimme: »Sie sollten sich allmählich auf das Treffen des Großen Rates vorbereiten.«
    »Ach ja, natürlich«, sagte Mekkis. Seine lange, dünne Zunge schoß hervor und berührte einen Druckknopf dicht neben seinem Lager. Augenblicklich stürmten seine Ankleider, aufgeregt miteinander zwitschernd, herein. Mekkis krümmte seinen Oberkörper hoch, um ihnen ihre Tätigkeit zu erleichtern.
     Wie alle Mitglieder der herrschenden Gattung Ganymeds besaß er weder Arme noch Beine, war sein ganzer Körper rosa und sah insgesamt aus wie ein riesiger Wurm. Er benötigte keine eigenen Glieder. Die Creechs ersetzten sie ihm; das war ihre Lebensaufgabe. Dafür wurden sie geboren und gezüchtet.
     Im Augenblick waren sie geschäftig dabei, ihm in seinen orangeroten Überwurf zu helfen, den er nur bei wichtigen offiziellen Anlässen trug. Nur das Beste war gut genug für diesen Tag, der für seine weitere Karriere im Regierungsdienst entscheidend sein mochte. Die kleinen Pfleger glitten über seinen Kopf und kämmten seine äußeren Geißeln, während die Wäscher sich mit ihren Zungen um seine Wangen kümmerten. Er warf einen weiteren Blick auf den gefangenen Menschen. Diese armen Geschöpfe, dachte er. Ihr hättet niemals unsere Aufmerksamkeit erregen sollen.
     Er selbst hatte sich gegen den Krieg ausgesprochen. Aber – nun war es geschehen. »Zu spät für Tränen«, murmelte er vernehmbar, »und es ist ja nicht schlecht, ein Creech zu sein,
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