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Topas

Topas

Titel: Topas
Autoren: Leon Uris
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paffte, faltete
seine runzeligen Hände und dachte nach. »Das ist noch
kein offizielles Urteil, Mike, aber ich will Ihnen sagen, was ich
vermute. Ich glaube, Boris Kuznetow weiß selbst nicht, was er
will. Er ist geflohen, weil er sich in Lebensgefahr wähnte,
und jetzt kann er sich zu nichts
entschließen.«
    »Nun, ich werde
Sie nicht darauf festnageln, aber wollen Sie damit sagen, daß
er wirklich ein großer Fang ist?«
    »Ich habe das
Gefühl, daß Boris Kuznetow sich als der wichtigste
Überläufer erweisen wird, denn wir je bekommen
haben.«

 
    5
    »Ich sitze hier
wie in einem Käfig! Meine Frau klagt Tag und Nacht. Tamara ist
bedrückt.«
    »Was haben Sie
denn erwartet?« antwortete Nordstrom. »Sie haben sich
drei Monate lang selbst abgeschlossen. Kein Wunder, daß Sie
mit Ihren Nerven am Ende sind.«
    Kuznetow war
blaß und wortkarg geworden. Michael wußte, daß in
der Familie von Tag zu Tag heftiger gestritten wurde. Olga und
Tamara hatten einige vorsichtige Ausflüge in die Stadt gewagt
und sogar eine Fahrt nach Baltimore unternommen. Was sie dort
gesehen hatten, hatte sie in ihrem Verlangen
bestärkt.
    »Warum
können wir nicht eine Reise für Sie organisieren, sagen
wir: nach New York?«
    »Nein!«
    »Dann vielleicht
nach dem Westen.«
    »Nein! Sie
wissen, daß ich das Haus nicht verlassen kann«, sagte
er zitternd, und Angst sprach aus seinen Augen.
    »Wir werden Sie
beschützen.«
    Kuznetow
schüttelte den Kopf. »Nein! Aber vielleicht könnten
wir umziehen. Wenn wir irgendwo auf dem Lande wohnten, könnte
ich wenigstens Spazierengehen.«
    »Ich will sehen,
ob sich das einrichten läßt.«
    »Sie sind sehr
nett. Wenn unsere Rollen vertauscht wären, ginge es Ihnen
nicht so gut«, sagte der Russe.
    *
    Camp Patrick lag
idyllisch am Ufer des Patuxent, außerhalb von Laurel, auf
halber Strecke zwischen Washington und Baltimore, im Land der
Welse, Tabakplantagen und Sommerhäuser. Das Camp war aus
Baumstämmen und Kiefernbrettern erbaut. Im Mittelpunkt stand
ein größeres Gebäude, in dem die Büros, die
Küche, der Gemeinschaftsraum und eine Reihe von kleineren
Unterrichts- und Besprechungsräumen untergebracht waren. Neben
dem Gebäude lagen auf der einen Seite ein Softballfeld und
zwei Tennisplätze, auf der anderen Seite war ein Sattelplatz. Am
Flußufer befanden sich einige Blockhäuser mit Veranden
davor. Das Camp hatte leer gestanden, als Nordstrom es als
Ausbildungslager für den ININ übernahm. Es war praktisch
für Spezialausbildungen und besonders für wichtige
Wochenendkurse. Gelegentlich hatte er dort Überläufer
verborgen, so wie jetzt die Familie Kuznetow. Während des
Winters schien sich Kuznetow in der neuen Umgebung wohl zu
fühlen. Wie alle Geheimdienstler hatte er ein ungeheures
Lesebedürfnis. Er verschlang jeden Tag Dutzende von Zeitungen
und Zeitschriften, dazu jede Woche drei bis vier Bücher in
Englisch, Französisch, Deutsch und in seiner Muttersprache.
Nordstrom hörte in diesen Tagen Tamaras Klavierspiel, wenn er
sich dem Haus der Kuznetows näherte. Sie spielte hervorragend.
Olga versuchte nun, selber Mahlzeiten zuzubereiten, immer noch
verwirrt von der Vielzahl elektrischer Küchengeräte und
der unbegrenzten Auswahl an Lebensmitteln.
    Der Amerikaner und der
Russe machten lange gemächliche Winterspaziergänge am
Flußufer entlang. Boris sprach dabei ausgiebig über
kommunistische Dialektik, Literatur, Musik und über die
amerikanischen Wunder der Technik. Er war gut informiert und
bewunderte westliche Kunst und Philosophie. Doch seine einzige
Äußerung über persönliche Dinge betraf Tamara,
die eine talentierte Musikerin sei; er bedaure es sehr, daß
sie ihr Studium nicht fortsetzen könne.
    Im weiteren Verlauf
des Winters begann die Abgeschiedenheit von Camp Patrick die Nerven
der Familie zu strapazieren. Die Kuznetows hatten ihre kleine Zelle
in Laurell lediglich gegen eine größere eingetauscht.
Doch Nordstrom spürte, daß Kuznetow langsam auftaute.
Die Verhörspezialisten, die wenig erreicht hatten, wurden um
die Jahreswende abberufen. Michael Nordstroms Geduld machte sich
bezahlt.
    Eines Abends im
Vorfrühling blieb er über Nacht im Camp, um sich die
wöchentliche Filmvorführung im Wohnzimmer der Familie
anzusehen. Eine neue Art von Spionageliteratur war im Entstehen. In
dem Film gab es den gewohnten höflichen britischen Helden, der
hinterlistige Zweideutigkeiten von sich gab und dem eine ganze
Schar halbnackter Mädchen nachstellte, und dazu
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