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Topas

Topas

Titel: Topas
Autoren: Leon Uris
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    »Andre,
können wir nicht miteinander sprechen?«
    »Aufrichtig oder
unaufrichtig? Wir werden uns nur zu rechtfertigen versuchen. Keiner
von uns will wirklich die Wahrheit über uns erfahren. Eine der
großen menschlichen Fähigkeiten ist es, Selbsterkenntnis
um jeden Preis zu vermeiden.«
    »Du weißt,
daß du mir mit Worten überlegen bist. Das ist nicht
fair.«
    »Bitte, Nicole,
ich bin sehr müde.«
    Sie ging zurück
in ihr Schlafzimmer, ohne die Tür zu schließen. Andre
saß auf dem Bettrand und starrte gedankenverloren auf das
Muster im Bettvorleger. Das Telefon klingelte. Müde nahm er
den Hörer ab. »Devereaux.«
    »Mike
Nordstrom.«
    Nach zwölf Jahren
in Washington kam es ihm immer noch ungewohnt vor, einen Kollegen
mit seinem Vornamen anzureden. Komisches Volk, diese Amerikaner.
»Oh, hallo Mike«, antwortete er und blickte auf seine
Uhr. Es war schon nach Mitternacht.
    »Ich habe den
ganzen Abend versucht, Sie zu erreichen.«
    »Ich war bei dem
Baseballspiel.«
    »Wie ging es
aus?«
    »Die Yankees haben gewonnen. Ford
war einmalig, aber es war ein gutes Spiel. Vielleicht können
wir uns nächste Woche eins gemeinsam
ansehen.«
    »Gewiß.
Hören Sie, ich weiß, es ist eine sehr ungewöhnliche
Zeit, Sie anzurufen, aber wir müssen morgen einen Besuch
machen.«
    Andre verstand die
Andeutung. Es war sicher etwas sehr Wichtiges. »Ich will
sehen, daß ich etwas früher fertig
werde.«
    »Gut. Wie
wär's mit Mittagessen? Um eins im Market
Inn.«
    »Fein«
    »Und, Andre,
versuchen Sie, sich das Wochenende freizuhalten. Wir müssen
vielleicht einen kleinen Ausflug machen.«
    »Geht in
Ordnung.«
    Andre legte den
Hörer so zurück, als sei er auf einmal sehr schwer
geworden. Er bückte sich, um den zweiten Schuh aufzumachen;
sein linker Arm wurde gefühllos. Er versuchte aufzustehen und
fiel in seinen Ledersessel zurück. Sein Atem ging schneller,
Schwindel erfaßte ihn. Dann wurde es dunkel um ihn. Was hatte
Dr. Kaplan über diese Anfälle gesagt? Sie hatten einen
ausgefallenen Namen. Narkolepsie. Schläfrigkeit, Verlust des
Erinnerungsvermögens, Lähmung eines Armes oder eines
Beines. Manchmal dauerte es nur eine Minute. Es konnte aber auch
einen ganzen Tag anhalten. Gott sei Dank waren die Anfälle bei
ihm immer in einigen Minuten vorbei. Er wankte ins Badezimmer,
schluckte eine Ephidrinpille und ließ sich dann wieder in den
Sessel fallen, um das Ende des Anfalls abzuwarten. Er solle sich
nicht zuviel aufbürden, hatte Dr. Kaplan ihn gewarnt. Aber
wie? Anspannung vermeiden. Wie denn? Urlaub machen. Wann?
Vielleicht meinte der Arzt, die Nachrichtendienstler sollten eine
Gewerkschaft bilden und für bessere Arbeitsbedingungen
streiken. Kein Staat der Welt könnte sich leisten, seine
Nachrichtendienstler nach Stunden zu bezahlen. Er wäre bald
bankrott.
    Andre hatte nicht nur
die Leitung der SDECE-Organisation in der westlichen
Hemisphäre, sondern war auch der französische ININ-Chef.
Die Beziehungen zwischen Washington und Paris wurden laufend
schlechter, und er selbst saß mitten im
Wespennest…
    Nicole stand im
Nachthemd in der Tür. »Du bist weiß wie ein
Leintuch. Bist du krank?«
    »Nein - nein -
mir fehlt nichts.«
    »Der
Telefonanruf. Waren es schlechte Nachrichten?«
    »Nur
Nordstrom.«
    »Möchtest
du eine Tasse Tee oder einen Kognak?«
    »Nein - Nicole,
ich weiß, ich habe versprochen, dieses Wochenende mit dir
nach New York zu Michele zu fahren, aber - ich muß vielleicht
dienstlich verreisen.«
    Eine Zeitlang stand
sie nur still da. »Gute Nacht, Andre!«
    »Nicole.»
    «Ist schon
gut!«
    »Sag es doch!
Wieder eine Enttäuschung. Behandle mich doch nicht so
vorwurfsvoll!«
    »Du hast ja
selbst ein schlechtes Gewissen. Oder gibt es etwas, worüber du
dir Vorwürfe machen müßtest?»
    «Nein.«
    »Dann brauchst
du auch nichts zu erklären.«

 
    7
    Hound-Dog Ruffin war
in Spiritual-Stimmung. Der große Blues-Sänger saß
vor einem scheppernden Klavier und sang von Baumwollfeldern im
Himmel. Alles an Hound-Dog war in Bewegung, während er mit
seinen dicken Fingern in die Tasten griff und mit dem Fuß den
Rhythmus dazu stampfte.
     
    Just a closer walk with
thee,
    Credit Jesus is my
plea…
     
    Andre Devereaux betrat
das Market
Inn. Während er versuchte, seine
Augen an das Dämmerlicht zu gewöhnen, tippte Hound-Dog
zum Gruß an seine Sonnenbrille.
    Michael Nordstrom
winkte und rutschte von seinem Barhocker. Sie gingen zu ihrer
gewohnten Nische am hinteren Ende des Raumes. Das
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