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Topas

Topas

Titel: Topas
Autoren: Leon Uris
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Die meisten Frauen
fanden ihn sexy. Er hatte das gewisse Etwas in seinem Blick, in
seinen Bewegungen. Als das Spiel weiterging, setzte Nicole wieder
ihr gelangweiltes Gesicht auf. Mickey Mantle schritt zur
Platte.
    Andre bemerkte ihren
starren, eisigen Blick. Ach was, dachte er, sie muß ja nur
noch zwei Innings erdulden.
    Auf der Heimfahrt
herrschte Schweigen. Andre machte den Umweg am Kapitol vorbei und
an der Mall entlang. Die Kirschblüten waren kurz vor dem
Aufbrechen, und der Atem des Frühlings durchwehte die Stadt.
Er sah das Lincoln Memorial an, dessen er nie überdrüssig
wurde. Washington war seine Stadt, in vielen Beziehungen, mehr noch
als Paris. Der Vorort Georgetown hatte von einem großen
Modernisierungsprogramm profitiert. Sie bewohnten eines der alten
Häuser mit hohen Zimmern in der Nähe von Dumbarton Oaks.
Nicole hatte es im Lauf eines Jahrzehnts mit viel Geschmack und
Stil eingerichtet. Sie traten ein. Der Waffenstillstand war zu
Ende.
    Nicole knallte die
Tür zu und fuhr ihn an. »Ein feiner Franzose bist du! Du
Baseballfan! Du - du Bourbontrinker!«
    »Madame
Devereaux«, sagte er voll Spott, »ich nehme nicht an,
daß diese Vergnügen die Ehre Frankreichs
beflecken.«
    »Aber du liebst
alles Amerikanische, mein Bester. Besonders die
Frauen.«
    »Was soll das
heißen?«
    »Nichts,
Liebling, aber wie ich gehört habe, soll Virginia McHenry eine
tolle Frau sein.«
    »Ach, das ist es. Nicole, wann
wirst du es endlich aufgeben, auf den Klatsch zu hören und
dich über Gerüchte aufzuregen?«
    »Ich hatte nicht
die Absicht, dich mit meiner Bemerkung über die amerikanischen
Frauen zu kränken. Du würdest mit jeder ins Bett
gehen.«
    »Du bist es, die
wie eine amerikanische Frau redet. Launisch, eifersüchtig,
zänkisch. Kein Wunder, daß es das Land der reichen
Witwen ist. Und du benimmst dich wie eine von
ihnen.«
    Die Hunde, Robespierre
und Picasso, kamen herein, um sie zu begrüßen, machten
sich aber schnell wieder aus dem Staub.
    »Ich sehe nun
einmal gern Baseball«, sagte er ruhig, »und die Yankees sind gerade mal
hier.«
    »Und dies ist
zufällig dein erster freier Abend seit drei
Wochen.«
    »Deshalb
möchtest du mich nach New York schleppen, damit ich mich in
ein Theater setze - ein zugiges Theater - und mir ein blödes
Stück ansehe, und dann willst du mich mitten in der Nacht
wieder zurück nach Washington schleppen. Und auf dem Heimweg
schimpfst du dann die ganze Zeit auf das Stück. Merkst du
nicht, daß dir nichts recht ist, daß du aber auch auf
alles schimpfst? Dieses Haus, meine Stellung, deine
gesellschaftlichen Verpflichtungen, die Dienstmädchen, den
Wagen, deine Kleidung.«
    Sie gingen in ihre
getrennten Schlafzimmer.
    Andre Devereaux hatte
seinen amerikanischen Freunden erklärt, getrennte Schlafzimmer
seien einer der wichtigsten Kulturbeiträge des
französischen Bürgertums. Heute abend zum Beispiel diente
ihm sein Schlafzimmer als sicherer
Zufluchtsort. Schließlich war Nicole nur nebenan, und ganz
gleich, wie schwer der Streit, die Tür wurde nie
abgeschlossen.
    Er streifte sein
Sporthemd ab und warf es achtlos auf einen Sessel. Er wußte,
das würde Nicole ärgern. Sie riß die Tür auf.
»Vielen Dank für den netten Abend, und besonders
für die heißen Würstchen - mit
Zutaten.«
    Nachdem er seinen
Schuh auf den Fußboden geknallt hatte, starrten sie sich
lange schweigend an.
    »Was ist mit uns
los?« fragte sie verstört. »Nach zwanzig Jahren
hat sich irgendeine schreckliche Kluft zwischen uns aufgetan. Wir
können nicht einmal mehr ruhig miteinander reden. Wir scheinen
uns ständig gegenseitig weh tun zu wollen.«
    »Wenn man sehr
jung ist«, sagte Andre, »ist man imstande,
fürchterliche Schläge auszuteilen und auch einzustecken.
Aber sogar die Stärksten werden mit der Zeit empfindlich.
Über den fortwährend empfangenen Wunden wachsen nur noch
ganz dünne Narben. Wie du siehst, brauchen wir uns schon gar
nicht mehr hart zu treffen. Ein gutgezielter Stich in die Narbe,
und schon bricht die Wunde wieder auf, und das Blut
fließt.«
    Andre schaffte es, sie
mit seinen Worten zu treffen und zum Schweigen zu bringen. Nicole
wußte, daß er nach außen hin als der geplagte
Ehemann dastand: ein wandelnder Märtyrer, und je abgespannter
er durch seine Überarbeitung aussah, desto deutlicher wurde
ihr sein »Märtyrertum« - wenn auch sonst
niemandem. Aber wo blieb sie? Sie sollte alles schweigend hinnehmen
und litt vielleicht gerade durch das Schweigen
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