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Broken Lands

Broken Lands

Titel: Broken Lands
Autoren: Kate Milford
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    GRIPS, GESPÜR UND GAUNEREI
    Coney Island, August 1877
    Eine Kreuzung kann ein Ort großer Macht sein; das sollte niemanden wirklich überraschen. Es ist ein Ort, an dem man wählen kann, an dem man geprüft wird, ein Ort des Übergangs, und in diesen Dingen liegt beträchtliche Kraft.
    Aber eine Kreuzung ist nicht immer das, was sie zu sein scheint. Eine Kreuzung kann einem auflauern. Und selbst wenn man die beiden staubigen Straßen fest im Auge behält, wenn man zu wissen meint, welche davon man einschlagen will und welche man links liegen lässt, genau dann wird sich die Kreuzung als etwas völlig anderes offenbaren.
    Es kann ein Kartenspiel sein. Wie die Partie Monte, die Saverio Noctiluca, genannt Sam, gleich verlieren würde.
    Vielleicht lag es daran, dass es ein ganz besonders vollkommener Augustnachmittag war – nicht zu heiß, mit einem sanften Lüftchen, das übers Wasser wehte und gerade so stark war, dass es die unangenehmen Gerüche von der Culver Plaza vertrieb, aber nicht so heftig, dass die Karten vom Tisch geweht wurden. Vielleicht lag es aber auch daran, dass die Saison so öde gewesen war. Seit Jahren schon wollten einem die Schlagzeilen in den Zeitungen weismachen, dass sich das Land in einer Depression befand, aber in diesem Sommer merkte man, dass es stimmte. Vielleicht war Sam mittlerweile so dankbar für jeden Kunden, dass er nicht mehr die nötige Vorsicht walten ließ.
    Was immer der Grund sein mochte, Sam hatte einfach nicht gut genug aufgepasst.
    Er merkte es zu spät – viel zu spät, als dass er noch hätte aussteigen können. Als ihm aufging, dass er auf dem besten Wege war, in eine empfindliche Niederlage zu schlittern, wurde ihm gleichzeitig klar, dass der Kerl, gegen den er verlor, der größte Betrüger der Menschheitsgeschichte sein musste. Er war jedenfalls der dreisteste Betrüger, der Sam jemals untergekommen war, und das wollte etwas heißen.
    Sam verlor nicht oft beim Kartenspiel. Er war sowohl ein begnadeter Spieler als auch ein begnadeter Betrüger, wenn er auf jemanden traf, der es besser konnte als er. Jeder Kunde war anders, aber nach ein paar Spielen hatte Sam gewöhnlich die Logik und Strategie des anderen durchschaut. Ob durch Grips, Gespür oder Gaunerei, früher oder später schlug er jeden.
    Was um aller Welt ist mir entgangen? , fragte er sich unglücklich, während er auf die Karten in seiner Hand starrte und auf die Karte auf dem Tisch, die ihm sagte, dass er gerade sein letztes Hemd verloren hatte. Etwas war ihm entgangen, keine Frage, aber er hatte keine Ahnung, was.
    Es gehörte nicht viel dazu, ein Monte-Blatt auszuteilen, und die Chancen für den Geber standen so gut, dass Sam sich kaum je die Mühe machte zu schummeln. Man legte die unterste und die oberste Karte des Stapels offen aus. Die Bieter, die Kunden, gegen die man spielte, schlossen ihre Wetten auf eine oder beide Karten ab. Dann wurde der Stapel – der Monte – umgedreht, um die Karte offenzulegen, die sich ganz unten befand. Und wenn die Karte dieselbe Farbe hatte wie eine der beiden ersten Karten, zahlte Sam als Geber die Wetten der Mitspieler aus.
    Wenn der Kerl mit dem Strohhut zwei Achtel-Pesos auf die Pik-Karte gesetzt hätte, die Sam ausgeteilt hatte, hätte ihm Sam, als er den Monte umdrehte und noch ein Pik aufdeckte ( Cavolo , fluchte er im Stillen, das darf doch nicht wahr sein!) , einen Vierteldollar aus seiner Bank auszahlen müssen. Hätte er – wenn der Kerl zwei Achtel-Pesos gewettet hätte. Aber das hatte er nicht. Er hatte einen Double Eagle auf den Tisch gelegt, eine Zwanzig-Dollar-Münze.
    Außerdem war es das fünfte Mal, dass Sam beim Umdrehen des Monte ein Pik vorfand. Wenn man sich überlegte, dass es in einem Monte-Spiel lediglich zehnmal Pik gab und dass sie erst sechs Runden gespielt hatten, war das schon ziemlich beeindruckend. Beeindruckend im Sinne von unmöglich .
    Und damit war Sam am Ende.
    Der Spieler lehnte sich zurück, hakte die Daumen in seine Weste und grinste. «Ich schätze, wir haben heute beide etwas gelernt, mein Junge.»
    Sam zwang sich zu einem freundlichen Lächeln, wobei er im Stillen einen Schwall venezianischer Flüche und Zigeunerverwünschungen losließ, die seine Großmutter mit Stolz erfüllt hätten, gefolgt von etlichen ausgesuchten Schimpfworten auf Deutsch, Walisisch und Gälisch. «Sieht ganz so aus.» Er schob die Karten zusammen, die sie ausgespielt hatten, und steckte sie wieder zu den anderen in den Stapel. «Wir haben
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