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Broken Lands

Broken Lands

Titel: Broken Lands
Autoren: Kate Milford
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über, die er vorher gespielt hatte. Sam sah, wie die Augen des alten Mannes kurz zu dem Klavierspieler zuckten. Dann grinste er Ambrose an und schüttelte den Kopf. «Glaubst du vielleicht, dass ich so schnell den Geist aufgebe, nach allem, was wir überlebt haben? Bist du denn verrückt?» Er richtete das Wort an den Barkeeper. «Wie steht’s mit einem Drink für meinen Freund?»
    «Das Gleiche?», fragte Matty.
    «Aber gewiss.»
    Jasper Wills kam zur Bar geschlendert, griff ohne hinzuschauen hinter die Bar und zog eine staubige Flasche und ein Glas hervor, in das er sich einschenkte. «Sind Sie wegen der Brücke in der Stadt, wie alle Welt?»
    «Nein, zu einem Treffen der Veteranen von Resaca.» Ambrose erhob das Glas und prostete Tom zu. «Drüben im Hotel Broken Land .»
    «Na so was! Ich hätte wetten können, dass Sie ein Zeitungsfritze sind.»
    Ambrose blickte stirnrunzelnd in sein Glas, seufzte und leerte es. «Tja, da liegen Sie gar nicht falsch», sagte er bitter. «Wodurch habe ich mich verraten?»
    «Wollen Sie mich auf den Arm nehmen? Ich rieche einen Zeitungsfritzen auf drei Meilen Entfernung», sagte Jasper. «War früher selber einer. Dann kam ich auf die Idee, mir auf meine alten Tage einen Saloon zuzulegen, für mein Auskommen im Ruhestand. Sie sehen ja, wohin mich das geführt hat.»
    Sam blieb noch ein paar Minuten, aber er merkte schon, was geschah: Die Erwachsenen vergaßen, dass er anwesend war. Das war ein Vorteil beim Kartenspiel, dass sie ihn so leicht übersahen, weil er fünfzehn war. Man war alt genug, um sich nicht mehr an Süßigkeiten zu verschlucken, aber zu jung, um als Teil der Erwachsenenwelt betrachtet zu werden. Man war entweder im Weg oder unsichtbar. Bis man ihnen das Geld aus der Tasche gezogen hatte, natürlich. Im Weg, unsichtbar – oder ein Dieb. Viel mehr Auswahl gab es nicht.
    Er steuerte auf die Tür zu und versuchte, den aufsteigenden Ärger zu unterdrücken. Als er am Klavier vorbeikam, warf Walter Mapp ihm einen Blick zu. «Kopf hoch, Sam.» Mühelos tanzten die Finger des Pianisten über die Tasten. «Du hast heute etwas Gutes getan.»
    «Weil ich einen Kerl hergebracht habe, der irgendein dämliches Lied kennt, oder weil Ihnen dank mir für dreißig Sekunden der Saloon gehörte?»
    «Du hast mich zu einem funkelnagelneuen Schimpfwort inspiriert», sagte Mapp, «und als Dank überlasse ich dir das kostenlose Nutzungsrecht daran. Das ist schon etwas, weißt du?»
    «Fühlt sich aber nicht so an.»
    «Das ist bei den meisten guten Sachen so», erwiderte Mapp und entlockte den Tasten ein hinreißendes Glissando. «Nichts fühlt sich nach etwas an, bis alles vorbei ist.»
    «Aber wo ist dann der Sinn?», fragte Sam gereizt.
    Der Klavierspieler nickte. «Schwer zu sagen.»
    «Heda, Sam.» Tom löste sich aus der Unterhaltung mit Ambrose und Jasper und ging zu Sam, der in dem Lichtkegel stand, der durch den Türspalt fiel. «Danke, dass du mich hergebracht hast. Ich finde, du hast dir ein Trinkgeld verdient, so etwas wie …»
    Sam schüttelte den Kopf und grinste. «Ich hol’s mir von einem Touristen, wenn ich wieder am Kartentisch sitze.»
    «Nun, dann nennen wir es für den Moment eine unbezahlte Schuld.» Der alte Mann streckte Sam die Hand entgegen. «Vielleicht kann ich’s wiedergutmachen, wenn wir uns das nächste Mal sehen.»
    Die Sonne war verschwunden, als Sam zu dem schmalen Haus zurückkehrte, in dem er ein Dachzimmer bewohnte. Die Eingangstür sprang auf, noch ehe er in seine Tasche gegriffen und den Schlüssel herausgezogen hatte, und auf die kleine Veranda trat Mrs. Ponzi, hager, schwarzhaarig und mit ernstem Blick. Sie drohte ihm spielerisch mit dem Zeigefinger. Sam schloss kurz die Augen. Er hatte total vergessen, dass heute Donnerstag war.
    «Saverio, du bist spät dran!», sagte seine Vermieterin. Sam lieferte auf dem Weg ins Wohnzimmer einen Kuss auf jede ihrer Wangen ab. Mrs. Ponzi sah zwar aus wie eine ältliche Lehrerin, aber sobald sie sprach oder lächelte, verflüchtigte sich dieser Eindruck. Obwohl Sam zu der einzigen wöchentlichen Verpflichtung, die er eingegangen war, zu spät kam, konnte ihm Mrs. Ponzi nicht wirklich böse sein.
    Donnerstag war der Tag der Tanzstunde. Auch nach zwanzig Jahren in New York war Mrs. Ponzi noch der Meinung, dass ihre Tochter Ilana gute Chancen hatte, einen Millionär zu heiraten. Und dafür musste sie Walzer tanzen können. Ilana Ponzi wusste es besser. Ilana war zwölf, aber sie war in Brooklyn geboren und
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