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Codename Tesseract - Wood, T: Codename Tesseract - The Killer

Codename Tesseract - Wood, T: Codename Tesseract - The Killer

Titel: Codename Tesseract - Wood, T: Codename Tesseract - The Killer
Autoren: Tom Wood
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Kapitel 1
Paris, Frankreich Montag 06:19 MEZ
    Die Zielperson sah älter aus als auf den Fotos. Das trübe Licht der Straßenlaternen betonte noch die tiefen Falten auf seinem Gesicht und seinen bleichen, fast schon kränklichen Teint. Auf Victor machte der Mann einen sehr erregten Eindruck. Entweder war er hochgradig nervös, oder er hatte zu viel Koffein im Blut. Doch egal, was der wahre Grund sein mochte, in dreißig Sekunden würde es sowieso keine Rolle mehr spielen.
    Der Name im Dossier lautete Andris Ozols. Lettischer Staatsbürger. Achtundfünfzig Jahre alt. 1,75 Meter groß. Fünfundsiebzig Kilogramm schwer. Rechtshänder. Keine besonderen Kennzeichen. Die grauen Haare waren genauso kurz und sorgfältig gestutzt wie sein Schnurrbart. Blaue Augen. Ozols war kurzsichtig und trug daher eine Brille. Er war elegant gekleidet, dunkler Anzug, Mantel, blank gewienerte Schuhe. Er hielt einen kleinen, ledernen Diplomatenkoffer mit beiden Händen fest an sich gedrückt.
    Am Anfang der schmalen Gasse warf Ozols einen Blick über die Schulter zurück, eine amateurhafte Bewegung, zu offensichtlich, um einen Beschatter zu übertölpeln, und zu überhastet, um, falls es ihm doch gelungen wäre, einen zu erkennen. Nach Victors Erfahrung achteten die Leute immer viel mehr auf das, was sich in ihrem Rücken abspielen könnte, als auf das, was vor ihnen lag. Daher sah Ozols den Mann nicht, der nur wenige Meter von ihm entfernt im Schatten stand. Den Mann, der ihn töten wollte.

    Victor wartete, bis Ozols den Lichtkegel der Laterne hinter sich gelassen hatte, dann drückte er ruhig und gleichmäßig ab.
    Schallgedämpfte Schüsse durchbrachen die Stille des frühen Morgens. Ozols wurde zweimal in unmittelbarer Folge ins Brustbein getroffen. Bei den Projektilen handelte es sich um Unterschallmunition, 5,7 Millimeter, doch die Wirkung war genauso verheerend wie bei schnelleren oder schwereren Geschossen. Mit Kupfer ummantelte Bleikugeln bohrten sich durch Haut, Knochen und Herz, bevor sie Seite an Seite zwischen zwei Wirbeln zum Stillstand kamen. Ozols fiel auf den Rücken, landete mit dumpfem Aufprall auf dem Boden, die Arme ausgestreckt, während der Kopf zur Seite sackte.
    Victor löste sich aus der Dunkelheit und machte einen wohlkalkulierten Schritt nach vorn. Er richtete die FN Five-seveN noch einmal auf Ozols und jagte ihm eine Kugel in die Schläfe. Er war zwar schon tot, aber Victor war der festen Überzeugung, dass man nie sicher genug sein konnte.
    Die leere Patronenhülse landete klirrend auf den Pflastersteinen und blieb in einer Wasserlache liegen, in der sich das orangefarbene Licht der Natriumdampflampen spiegelte. Ansonsten war nur das leise Pfeifen aus den beiden Einschusslöchern in Ozols’ Brust zu hören. Das war die Luft, die er mit dem letzten Atemzug eingesaugt hatte und die jetzt langsam entwich.
    Es war kalt und dunkel. Die Morgendämmerung zeichnete die ersten farbigen Spuren an den östlichen Himmel. Victor befand sich mitten im Herzen von Paris, in einem Viertel mit schmalen Avenuen und gewundenen Seitenstraßen. Die kleine Gasse lag zwar sehr abgeschieden – kein einziges Fenster, das einen Blick darauf geboten hätte –, aber Victor vergewisserte sich trotzdem kurz, dass niemand den Mord beobachtet hatte. Die Schüsse waren jedenfalls nicht zu hören gewesen. Die Unterschallmunition und der Schalldämpfer hatten jedes Mal nur ein leises Klack zugelassen. Trotzdem ließ es sich nicht vollkommen
ausschließen, dass irgendjemand beschlossen hatte, ausgerechnet hier seine Blase zu entleeren.
    Nachdem er sich versichert hatte, dass er alleine war, ging Victor neben dem Leichnam in die Knie. Sorgfältig vermied er jede Berührung mit der Gehirnmasse, die aus der kleinen Austrittswunde an der Schläfe seines Opfers quoll. Mit der linken Hand zog Victor den Reißverschluss des Diplomatenköfferchens auf und warf einen Blick hinein. Der Koffer war leer, abgesehen von dem einen Gegenstand, den er erwartet hatte. Klein und unschuldig sah er aus. Kaum vorstellbar, dass das der Grund für einen Auftragsmord sein sollte, aber genauso war es. Victor machte sich wieder einmal bewusst, dass ein Grund so gut war wie der andere. Es war nur eine Frage der Perspektive. Er hatte sich schon oft gesagt, dass er lediglich für etwas bezahlt wurde, was die Menschheit seit Jahrtausenden immer weiter perfektioniert hatte. Er repräsentierte nichts weiter als die letzte Entwicklungsstufe dieses Prozesses.
    Sorgfältig suchte
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