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Toedliches Fieber

Toedliches Fieber

Titel: Toedliches Fieber
Autoren: Dee Shulman
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einer zeltartigen Decke) … zum Fachgebiet Mathematik (der Boden diente auch als Schachbrett) … und weiter zu den Themen Chemie (die Formeln standen an den Wänden), Literatur und Theater (mit Sitzsäcken und Sofas), Sprachen (Kopfhörer und Computer), Geschichte (alle Bücher waren um eine riesige Druckerpresse angeordnet), Erdkunde (Globen hingen wie Ballons an der Decke), Latein und Griechisch (unglaubliche Götterstatuen), Wirtschaft (ein Bildschirm an der Wand zeigte die aktuellen Wechselkurse an), bis wir endlich in der Musikabteilung ankamen, in der man alte Musikinstrumente bestaunen konnte, von denen einige aus dem ersten Jahrhundert stammten.
    »Auf denen darf man nur mit einer Sondererlaubnis spielen«, sagte Ruby, die mich weiterhetzen wollte. »Findest dunicht, dass die Kithara ein bisschen wie eine Gitarre aussieht?«
    »Ha … ich glaube nicht, dass es im Alten Rom Rockkonzerte gab.«
    »Stehst du darauf? Ich habe gesehen, dass du eine Gitarre mitgebracht hast.«
    Ich zuckte die Achseln. »Auf Rock, meinst du? Glaub schon – ich mag alles Mögliche …«
    »Dann tust du dich am besten mit Astrid zusammen – sie ist wahrscheinlich auch gleich im Gemeinschaftsraum. Sie ist cool – wenn sie einen mag!«
    Wir verließen die Bibliothek durch die Flügeltür und liefen wieder über den Innenhof.
    »Und … der Gemeinschaftsraum?«
    »Ach, da hängen die Oberstufenschüler nach neun Uhr abends ab. Bis dahin soll man eigentlich lernen oder proben oder was auch immer. So, da wären wir.«
    Wir betraten einen Raum, in dem ungefähr zwanzig Schüler auf Sofas oder Stühlen saßen. Ruby ging direkt zur Kaffeemaschine, holte zwei Becher und schenkte heißen Kaffee ein.
    »Möchtest du Milch oder Zucker, Eva?«, fragte sie.
    Es war irgendwie ganz leise geworden. Ich musste schlucken.
    »Milch bitte.« Meine Stimme war ein einziges Quieken. Warum hatte sie mich nur mitgenommen? In der Bibliothek hatte ich mich viel wohler gefühlt.
    Ich stand eine Ewigkeit dumm rum, bis sie Milch dazugeschüttet und umgerührt hatte. Dann schob sie mich zu einem breiten Sessel.
    »Setz dich«, sagte sie. Ich gehorchte und Ruby kauerte sich auf die Lehne.
    Ich lehnte mich zurück und hielt mich an der Kaffeetasse fest. Immerhin wusste ich so, wohin mit meinen Händen, und konnte mich auf das Getränk konzentrieren statt auf die zwanzig Augenpaare, die in meine Richtung sahen.
    Ich war so damit beschäftigt, den Blick gesenkt zu halten, dass ich Omar erst kommen sah, als er sich plötzlich auf die andere Lehne setzte.
    »Hey, ihr zwei.« Er lächelte uns an. »Wie war die Besichtigung?«
    Während Ruby berichtete, entspannte ich mich langsam. Die anderen Schüler unterhielten sich weiter und ich wagte einen Blick über den Becherrand, um mir den Raum näher anzusehen.
    Es war gemütlich hier, das Licht war angenehm, die Wände dunkelrot gestrichen. Es gab sogar einen Kamin. Ein schwerer Vorhang schmückte eine Wand, was die Atmosphäre noch behaglicher machte.
    Auf einmal stupste Ruby mich an, nachdem sie Omar über das Fußballtraining ausgefragt hatte. »Soll ich dir zeigen, was hinter dem Vorhang ist?«
    Sie war schon auf dem Weg. Ich sah zu, wie sie den Vorhang aufzog.
    »Guck mal!« Sie lachte. »Eigentlich ist der Raum viel größer! Meistens benutzen wir nur diesen Teil, aber hin und wieder nehmen wir auch den ganzen Raum – zum Beispiel für Konzerte oder Partys. Dahinten ist sogar eine kleine Bühne, siehst du sie? Nächste Woche wollen wir einen Stand-up-Wettbewerbveranstalten. Gewisse Leute …«, sie sah Omar mit hochgezogener Augenbraue an, »halten sich nämlich für Comedians … Hey! Soll ich dich vielleicht auch dafür eintragen?«
    »Machst du Witze?« Ich keuchte vor Schreck.
    Ruby lachte sich kaputt. »Ja, klar! Tut mir leid, Eva!«
    Einige Witze sind wirklich nicht komisch. Ich musste erst mal wieder runterkommen.
    Omar stupste mich an. »Hey, Eva … alles ist gut. Entspann dich.«
    Entspannen! Der hatte gut reden. Ich tat mein Bestes.
    Als ich später in mein Zimmer ging, hatte ich dann auch tatsächlich das Gefühl, endlich Mensch unter Menschen zu sein. Ich hatte tausend neue Leute kennengelernt und mich wohlgefühlt, obwohl ich die meiste Zeit nur zugehört hatte. Ich brauchte nicht so zu tun als ob und musste auch nichts verbergen. Zum ersten Mal in meinem Leben kam ich mir nicht wie eine Betrügerin vor. Es war, als wäre ich endlich nach Hause gekommen.
    Ich packte den Koffer aus und erwischte
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